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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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Haus. Alle erzählten dieselbe Geschichte: Sie waren unterwegs zu dem Haus gelangt und hatten sich zur Nacht in eines der Betten gelegt, doch es stellte sich heraus, dass sie jahrelang geschlafen hatten, ja, einige von ihnen sogar jahrhundertelang, bis die Uhr geschlagen hatte. Als der Mann seine Sachen packte, fand er einen goldenen Schlüssel unter seinem Kissen, etwas größer als der, mit dem er die Uhr aufgezogen hatte.
    Unterwegs sank die Temperatur, doch vielleicht erschien ihm die ganze Welt kälter, seitdem seine Tochter in das Silberschloss gesperrt worden war. Irgendwann traf er eine schöne Frau, die in einem Pavillon saß und bitterlich weinte, weil ihre Harfe verstimmt war. Er gab ihr den goldenen Schlüssel, um sie zu stimmen, und sie schenkte ihm zum Dank einen größeren. Dieser passte zu einer Truhe unter einer Baumwurzel, in der sich ein weiterer, noch größerer Schlüssel verbarg. Dieser öffnete das Tor zu einem Schloss – jedoch nicht zu dem, in dem seine Tochter steckte –, wo im höchsten Zimmer des höchsten Turms der nächste Schlüssel auf einem Tisch lag.
    Der Mann wanderte immer weiter, wochen-, monate- oder jahrelang, er wusste es nicht mehr. Als er zu Fuß nicht mehr weiterkam, bestieg er ein Schiff und segelte, bis er das Ende der Welt erreichte. Dort saß ein würdiger Herr im dunklen Anzug, der seine langen Beine über den Rand baumeln ließ. Er klopfte auf die Außentaschen seines Jacketts, drehte die Hosentaschen um und wirkte völlig ratlos.
    »Potzblitz!«, sagte der gutgekleidete Herr. »Ich habe den Schlüssel zur Welt verloren. Wenn ich sie nicht aufziehe und das Uhrwerk zum Laufen bringe, wandern Sonne, Mond und Sterne nicht weiter, und die Erde wird in eine ewige Nacht elender Kälte und Dunkelheit getaucht. Wie ärgerlich!«
    Ein Held, so hatte der Mann erkannt, wird man vor allem dadurch, dass man im entscheidenden Moment seinen Einsatz nicht verpasst. Ohne ein Wort zu sagen, zog er den Schlüssel heraus, den er im Schloss gefunden hatte.
    »Wie zum Teufel …?«, fragte der Herr. »Na ja, egal. Gib ihn her.«
    Er nahm den Schlüssel und legte sich der Länge nach auf den Boden, wobei er seinen feinen Anzug beschmutzte. Mit einer Hand langte er über den Rand der Welt hinweg und begann eilig, mit dem Schlüssel einen Mechanismus aufzuziehen. Ein lautes Knarren ertönte.
    »Er ist in meiner Gesäßtasche«, rief er über die Schulter hinweg, während er sich weiter abrackerte. »Du musst ihn dir selber holen.«
    Zögernd griff der Mann in die Tasche – der gutgekleidete Herr unterbrach keinen Moment seine Arbeit – und zog den letzten Schlüssel heraus. Er kehrte zu seinem Schiff zurück und segelte auf dem Kurs zurück, auf dem er gekommen war.
    Kurze Zeit später, eine überraschend kurze Zeit später, gelangte er zu dem Zauberschloss, in dem die Hexe seine Tochter eingesperrt hatte. Wie lange das schon her war, wusste er schon nicht mehr zu sagen. Es war ein beeindruckender Bau mit schimmernden Silberwänden, die in der Sonne glänzten. Es schwebte ein Stück über dem Boden, so dass man eine schmale, gewundene Silbertreppe hinaufsteigen musste, die beunruhigend im Wind schwankte.
    Das Tor bestand aus schwarzem Schmiedeeisen. Der Mann steckte den letzten Schlüssel ins Schloss und drehte ihn.
    In dem Moment, als er ihn ganz herumgedreht hatte, sprangen die Türen auf, und dahinter stand eine wunderschöne Frau, ganz so, als hätte sie ihn bereits erwartet. Sie war so groß wie er und musste bei der Hexe viel gelernt haben, denn sie schimmerte vor magischer Macht.
    Dennoch erkannte er sie wieder. Sie war seine Tochter.
    »Wunderschönes Mädchen«, sagte der Mann, »ich bin es. Dein Vater. Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen.«
    »Mein Vater?«, fragte sie. »Das kann nicht sein. Mein Vater ist kein alter Mann.«
    Die schöne Frau lachte auf. Ein höhnisches, seltsam vertrautes Lachen.
    »Doch, ich bin dein Vater!«, beschwor er sie. »Bitte versteh doch, all die Jahre habe ich nach dir gesucht …«
    Die Frau hörte ihm gar nicht zu.
    »Trotzdem vielen Dank dafür, dass du mich befreit hast.«
    Sie küsste ihn auf die Wange. Dann gab sie ihm einen goldenen Schlüssel und flog mit dem Wind davon.
    »Warte!«, rief er ihr hinterher. Doch sie wartete nicht. Sie ließ ihm keine Zeit, ihr alles zu erklären. Er sah ihr nach, bis sie in der Ferne verschwunden war. Erst dann setzte er sich und begann zu schluchzen.
    Der Mann sah seine Tochter nie wieder und

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