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Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)

Titel: Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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einmal aufeinanderfolgten. Venedig schien eine Stadt zum Hindurchschlendern zu sein. Alles gut und schön, wenn man es nicht gerade eilig hatte, an einen bestimmten Ort zu gelangen.
    Endlich blieben sie vor einer braungestrichenen Holztür stehen, die nur knapp so hoch war wie sie. Zwar hätten sie nicht mit Sicherheit sagen können, ob sie sich in der richtigen Straße befanden, aber immerhin trug das Steinschild über der Tür die richtige Nummer. In der Tür befand sich ein kleines, übermaltes Fenster. Einen Griff gab es nicht.
    Quentin legte eine Hand auf die warme Steinmauer neben der Tür und rezitierte eine rhythmische Zahlensequenz. Auf dem alten Gemäuer flammte kurz eine Reihe dicker, orangefarbener Striche auf, die Heizstäben glichen.
    »Gesichert wie eine Festung«, bemerkte Quentin. »Wenn dein Mittelsmann nicht hier wohnt, dann auf jeden Fall Leute, die wissen, was sie tun.«
    Entweder sie standen kurz davor, ihre Situation zu verbessern oder sie erheblich zu verschlechtern. Da es keine Klingel gab, klopfte Quentin an. Er hörte keinen Widerhall, so als würde sich hinter der Tür lediglich eine dicke Steinschicht verbergen. Doch das Fenster schwang sofort auf.
    »Sì.«
Dunkelheit im Inneren.
    »Wir würden gern den Besitzer dieses Hauses sprechen«, sagte Quentin.
    Sofort wurde das Fenster wieder geschlossen. Quentin blickte Julia achselzuckend an. Was hätte er denn sonst sagen sollen? Sie sah ihn durch ihre schwarze Sonnenbrille mit undurchdringlichem Blick an. Quentin wäre am liebsten wieder gegangen, aber das war keine Option. Ihr einziger Weg führte jetzt geradeaus weiter – Augen zu und durch.
    Still lag die Straße da. Sie war schmal, nicht mehr als eine Gasse, mit vierstöckigen Gebäuden auf jeder Seite. Nichts geschah. Nach fünf Minuten murmelte Quentin einige Worte auf Isländisch und hielt seine Handfläche im Abstand von wenigen Zentimetern vor die Tür. Er spürte die umgebende Mauer, die zwar im Schatten lag, aber dennoch erwärmt war.
    »Geh ein Stück zurück«, sagte er zu Julia.
    Wer auch immer den Schutzschild errichtet hatte, hatte gute Arbeit geleistet, aber nicht mit Quentin gerechnet. Er entzog der Mauer ihre ganze Hitze und leitete sie auf das Glasfenster über, das sich ausdehnte, je heißer es wurde. Der Schutzschild erschwerte den Vorgang; die Hitze wollte nicht aus der Mauer weichen, doch Quentin fand Mittel und Wege, sie zu zwingen. Als das Glas sich nicht weiter ausdehnen konnte, platzte es mit einem leisen Ping, wie eine Glühbirne. Warrens Schülerinnen wären beeindruckt gewesen.
    »Stronzo!«
, rief Quentin durch den leeren Fensterrahmen.
»Fammi parlare con tuo direttore del cazzo!«
    Eine Minute verging. Quentins Thermozauber hatte eine Eisschicht auf der Mauer hinterlassen. Die Tür wurde geöffnet. Dahinter lag Dunkelheit.
    »Siehst du?«, sagte Quentin zu Julia. »Etwas habe ich doch im College gelernt.«
    Ein kleiner, gedrungener Mann erwartete sie im schmalen, braungekachelten Flur. Der Mann war überraschend freundlich. Wahrscheinlich war man hier daran gewöhnt, dass hin und wieder das Fenster zu Bruch ging.
    »Prego.«
    Er führte sie eine Treppe hinauf in eines der schönsten Zimmer, die Quentin je gesehen hatte.
    Er hatte sich von Venedigs bizarrer Topographie in die Irre führen lassen und erwartet, einen hässlichen Raum mit europäisch spartanischem Interieur zu betreten – weiße Wände, unbequeme Sofas, winzige geometrische Lampen –, doch die Rückseite des Gebäudes täuschte. Sie befanden sich in einem der großen Palazzi am Canal Grande. Sie hatten ihn bloß durch eine Art Hintereingang betreten.
    Die Wand zum Kanal hin war von hohen Fenstern mit maurischen Spitzbögen durchbrochen, die einen Blick aufs Wasser boten. Der imponierende Raum war offenbar für den Zweck eingerichtet worden, Gäste in einen Zustand bebender Ehrfurcht zu versetzen, und Quentin reagierte sofort dementsprechend. Er erhielt den Eindruck, vor einem deckenhohen Wandgemälde zu stehen, einem Tintoretto vielleicht, mit leuchtend grünem Wasser, Booten aller Formen und Größen, vorstellbar und unvorstellbar, die hin und her kreuzten. Drei potthässliche, glitzernde Murano-Glaskronleuchter erhellten den Raum, die durchscheinenden Oktopusarme über und über mit Kristallen behangen. Gemälde bedeckten die Wände, klassische Landschaften und Venedig-Szenen. Der Fußboden bestand aus alten Marmorfliesen, deren Unebenheiten und Narben von einander überlappenden

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