Fillory - Der König der Zauberer: Roman (German Edition)
Orientteppichen verborgen wurden.
Und so war der ganze Saal gestaltet. Man hätte sich vorstellen können, Jahre darin zu verbringen. Es war nicht Fillory, aber die Situation hatte sich bereits merklich verbessert. Quentin fühlte sich wie auf Schloss Whitespire.
Ihre Eskorte zog sich zurück, und einen Augenblick lang waren sie auf sich selbst gestellt. Das Sofa, auf dem Quentin und Julia saßen, hatte so geschwungene Beine, dass es schien, als könne es jeden Moment davonspazieren. Außer ihnen hielten sich noch vier, fünf andere Leute im Saal auf, doch durch seine immense Größe wirkte er dennoch privat und leer. Drei Männer in Hemdsärmeln unterhielten sich gedämpft über einen winzigen Tisch hinweg, wobei sie aus kleinen Gläsern ein klares Getränk nippten. Eine breitschultrige alte Dame blickte, den Rücken zu ihnen gewandt, hinaus aufs Wasser. Ein Butler, oder wie immer so jemand auf Italienisch heißen mochte, stand am Fuße der Treppe.
Die anderen Anwesenden ignorierten sie. Julia schmiegte sich in eine Ecke der Couch, zog die Füße an und stellte die Schuhe auf die edle, antike Polsterung.
»Wir müssen wohl eine Nummer ziehen«, bemerkte Quentin.
»Wir müssen warten«, erwiderte Julia. »Er wird uns rufen.«
Sie nahm ihre Sonnenbrille ab und schloss die Augen. Sie begann schon wieder, sich zurückzuziehen. Quentin erkannte die Anzeichen für einen ihrer Schübe. Vielleicht lag es diesmal daran, dass sie sich hier sicher fühlte und sich für eine Weile gehen lassen konnte. Das hoffte er. Anschließend würde er weitersehen.
»Ich hole dir ein Glas Wasser.«
»Mineralwasser«, bat sie. »Mit Sprudel. Und bestell mir einen Rye dazu.«
Wenn es etwas gab, wofür einen das Herrscherdasein prädestinierte, dann den Umgang mit Domestiken. Der Butler konnte sowohl mit Sprudel –
frizzante –
als auch mit Rye aufwarten. Den Whisky servierte er pur, wie Julia ihn anscheinend bevorzugte. Das Wasser ließ sie stehen. Quentin machte sich Sorgen wegen ihres Alkoholkonsums. Er selbst war einem Gläschen weiß Gott nicht abgeneigt, aber die Mengen, die Julia vertragen konnte, waren geradezu heroisch. Er dachte an die Geschichten, die Eliot ihm von dem Aufenthalt im Wellnesshotel erzählt hatte. Es schien, als versuche Julia, sich zu betäuben, eine Wunde auszubrennen oder eine Lücke in ihrem Inneren zu füllen.
»Warrens Mittelsmann scheint ziemlich erfolgreich zu sein«, bemerkte Quentin. »Nette Hütte, sogar nach Hexerstandards.«
»Ich kann hier nicht bleiben«, lautete Julias einziger Kommentar.
Zitternd saß sie auf dem Sofa, schlürfte ihren Rye und hielt dabei das Glas mit beiden Händen wie ein magisches Heilmittel. Sie trank mit geschlossenen Augen, wie ein Baby. Quentin bat den Butler, ihr eine Decke zu bringen. Sie bestellte einen weiteren Whisky.
»Ich kann nicht mal mehr betrunken werden«, beklagte sie sich verbittert.
Danach versank sie in Schweigen. Quentin hoffte, dass sie ein wenig Ruhe fand. Er saß am anderen Ende des Sofas und nippte an einem venezianischen Spritz (Prosecco, Aperol, Sprudel, Zitronenscheibe, Olive), blickte hinaus auf den Kanal und versuchte, nicht daran zu denken, was sie tun sollten, falls sie das hier nicht weiterbrachte. Der Palazzo ihnen gegenüber war roséfarben; die sinkende Sonne färbte ihn lachsrosa. Vor allen Fenstern waren die Läden geschlossen. Mit den Jahren hatte sich das Holz unregelmäßig gesetzt – die eine Hälfte war leicht abgesunken, während die andere weiter gerade hing, wodurch genau in der Mitte eine Verwerfungslinie entstanden war. Sie musste sich durch den ganzen Palast, durch alle Zimmer ziehen. Quentin stellte sich vor, wie die Leute andauernd darüber stolperten. Vor dem rosa Palazzo ragten gestreifte Pfähle kreuz und quer aus dem Wasser.
Ein seltsames Gefühl, sich an einem Ort zu befinden, über den man nicht als König herrschte. Quentin war nicht mehr daran gewöhnt. Wie Elaine ganz richtig gesagt hatte: Hier war er nichts Besonderes. Niemand nahm von ihm Notiz. Er musste zugeben, dass das seltsam entspannend war. Sie warteten eine Stunde lang, und Quentin hatte nach dem dritten Spritz beschlossen, eine Pause einzulegen, als ein kleiner, temperamentvoller Italiener sie nach oben bat. Er trug einen cremefarbenen Anzug ohne Krawatte, ein Outfit, in dem ein Amerikaner sich unweigerlich lächerlich gemacht hätte.
Er führte sie in einen kleinen, ganz in Weiß gehaltenen Salon mit drei grazilen Holzstühlen, die rund um
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