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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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Er spürte ihren nackten Körper unter ihrem Kleid, roch ihn, wie ein Vampir Blut riecht. Vielleicht hatte Mayakowski nicht alles Füchsische aus ihm herausbekommen.
    Er fand sie in einem der Schlafzimmer oben. Sie lag auf einem Doppelbett, auf der Tagesdecke, und las. Der Raum war düster und heiß. Das Dach zog sich in einem merkwürdigen Winkel herunter. Überall standen seltsame Möbel herum – ein Korbstuhl mit kaputter Sitzfläche, eine Kommode mit einer offenen, klemmenden Schublade –, und an der Wand klebte rote Tapete, die sich in keinem anderen Zimmer im Haus wiederfand. Quentin stieß das Fenster halb auf – es quietschte empört – und ließ sich auf das andere Doppelbett fallen.
    »Ist es nicht verrückt, dass sie die hier haben? Die ganze Serie – sie waren im Bücherschrank im Badezimmer.« Alice hielt das Buch hoch, das sie gerade las. Es schien unglaublich, aber es war eine alte Ausgabe von Die Welt in den Wänden.
    »Ich hatte genau dieselbe Ausgabe«, sagte Quentin. Die Titelillustration zeigte Martin Chatwin auf halbem Wege durch die alte Standuhr. Mit den Füßen stand er noch in seiner Welt, mit dem Kopf dagegen ragte er nach Fillory hinein, das als groovy 1970er Winter-Wunderland dargestellt war.
    »Ich habe seit Jahren nicht in die Bücher reingeschaut. Erinnerst du dich an das Kuschelpferd? Das große Samtpferd, das einen einfach so herumträgt? Ach, wie gerne hätte ich damals so eines gehabt! Hast du die Bücher gelesen?«
    Quentin war sich nicht sicher, wie viel er von seiner Fillory-Obsession preisgeben sollte.
    »Kann sein, dass ich mal reingeschaut habe.«
    Alice verzog ironisch das Gesicht. »Wieso bildest du dir eigentlich immer noch ein, du könntest Geheimnisse vor mir haben?«
    Quentin verschränkte die Arme hinter dem Kopf, legte sich auf dem Kissen zurück und blickte hinauf zur niedrigen Dachschräge. So ging das nicht. So waren sie wie Bruder und Schwester.
    »Rück mal ein Stück.«
    Er rutschte zu ihr rüber, legte sich neben sie und stieß sie leicht mit der Hüfte an, damit sie ihm auf dem schmalen Bett Platz machte. Sie hielt das Taschenbuch hoch und zusammen lasen sie still ein paar Seiten. Ihre Schultern und Oberarme berührten sich. Quentin hatte das Gefühl, das Bett stünde auf einem dahinrasenden Zug, und wenn er zum Fenster hinausblickte, könne er die Landschaft vorbeisausen sehen. Sie atmeten beide ganz vorsichtig.
    »Ich habe das mit dem Kuschelpferd nie verstanden«, sagte Quentin nach einer Weile. »Erstens: Es gibt nur ein Einziges. Oder existiert irgendwo eine ganze Herde? Außerdem ist es einfach zu nützlich. Man würde doch annehmen, dass irgendjemand es inzwischen domestiziert haben sollte.«
    Sie schlug ihm mit dem Buchrücken auf den Kopf, ziemlich unsanft.
    »Jemand Böses! Man kann das Kuschelpferd nicht zähmen, es ist ein freier Geist. Außerdem ist es zu groß. Ich habe immer geglaubt, es sei mechanisch – dass jemand es irgendwie konstruiert hat.«
    »Wer denn?«
    »Keine Ahnung! Ein Zauberer. Jemand in der Vergangenheit. Außerdem ist das Kuschelpferd nur was für Mädchen.«
    Janet steckte ihren Kopf zur Tür herein. Offenbar war unten ein regelrechter Exodus im Gange.
    »Ha!«, brüllte Janet. »Was lest ihr denn da?«
    Alice rutschte instinktiv ein Stück von ihm ab, aber Quentin blieb, wo er war.
    »Als hättest du sie nicht gelesen«, erwiderte er.
    »Natürlich habe ich sie gelesen! Als ich neun war, habe ich meine Familie gezwungen, mich zwei Wochen lang ›Fiona‹ zu nennen.«
    Sie verschwand und ließ ein angenehmes, echoloses Schweigen zurück. Das Zimmer kühlte sich allmählich ab, während die warme Luft zum halboffenen Fenster hinauszog. Quentin stellte sich vor, wie sie federwölkchengleich in den blauen Sommerhimmel stieg.
    »Wusstest du, dass es tatsächlich eine Familie namens Chatwin gegeben hat?«, fragte er. »Im wirklichen Leben? Sie sollen Nachbarn von Plover gewesen sein.«
    Alice nickte. Sie entspannte sich ein wenig, jetzt, wo Janet weg war. »Aber es ist eine traurige Geschichte.«
    »Wieso traurig?«
    »Du weißt doch, was mit ihnen passiert ist?«
    Quentin schüttelte den Kopf.
    »Es gibt ein Buch darüber. Die meisten haben als Erwachsene ein ziemlich langweiliges Leben geführt, als Hausfrauen, Versicherungsvertreter, was weiß ich. Ich glaube, einer der Jungs hat eine reiche Erbin geheiratet, und ich weiß, dass einer seiner Brüder im Ersten Weltkrieg gefallen ist. Aber das mit Martin weißt du

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