Fillory - Die Zauberer
nicht mit Außenstehenden über das College zu reden. Er konnte deswegen rausfliegen. Aber wenn Fogg den Erinnerungszauber verpatzt hatte, war das schließlich nicht seine Schuld. Und es drehte sich um Julia. Ihr schönes, sommersprossiges Gesicht, so dicht vor seinem, sah gealtert aus. Ihre Haut war fleckig, und es ging ihr offensichtlich sehr schlecht.
»Okay«, sagte er. »Stimmt. Du hast recht. Ich bin auf diesem College.«
»Ich hab’s gewusst!«, kreischte sie. Sie stampfte mit ihrem Stiefel auf das Friedhofsgras. Ihrer Reaktion entnahm er, dass sie zumindest teilweise geblufft hatte. »Ich wusste, es war Wirklichkeit, ich habe es genau gewusst!«, sagte sie, mehr zu sich selbst. »Ich wusste , dass es kein Traum gewesen ist!« Sie beugte sich nach vorn, schlug die Hände vor das Gesicht und stieß ein herzzerreißendes Schluchzen aus.
Quentin holte tief Luft und zog seine Jacke zurecht.
»Hör mir zu«, sagte er sanft. Sie saß noch immer in sich zusammengesunken da. Er beugte sich zu ihr und legte die Hand auf ihren schmalen Rücken. »Julia. Eigentlich dürftest du dich gar nicht daran erinnern. Die Dozenten löschen die Erinnerungen, wenn man nicht reinkommt.«
»Aber ich hätte reinkommen müssen!« Mit blitzenden, stark geröteten Augen und der kristallklaren Ernsthaftigkeit der wirklich Wahnsinnigen richtete sie sich auf. »Ich hätte reinkommen sollen. Ich weiß, dass es so war. Es war ein Fehler, glaub mir, das war es.« Ihre großen Augen schienen sich in ihn hineinbrennen zu wollen. »Ich bin wie du, ich kann wirklich zaubern. Ich bin wie du. Verstehst du? Deswegen konnten sie meine Erinnerungen nicht löschen.«
Ja, Quentin sah es. Ihm war alles klar. Kein Wunder, dass sie sich schon bei ihrer letzten Begegnung so sehr verändert hatte. Dieser eine kurze Blick durch den Vorhang in die Welt hinter der Welt hatte sie vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie hatte sie einmal gesehen und konnte nicht mehr davon lassen. Brakebills hatte sie zerstört.
Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er alles für sie getan. Und er war auch jetzt noch dazu bereit, aber was konnte er tun? Und warum fühlte er sich so schuldig? Er holte tief Luft.
»Aber so funktioniert es nicht. Selbst wenn du für die Zauberei begabt bist, macht dich das nicht resistenter gegen Erinnerungszauber als andere.«
Begierig hing sie an seinen Lippen. Alles, was er sagte, bestätigte nur, was sie unbedingt glauben wollte: dass die Magie tatsächlich existierte. Er wich zurück, ging zu ihr auf Abstand, aber sie packte ihn am Ärmel.
»Oh neinneinneinneinnein«, sagte sie mit einem brüchigen Lächeln. »Q. Bitte. Warte. Nein. Du musst mir helfen! Deswegen bin ich hergekommen.«
Sie hatte ihr Haar schwarz gefärbt. Es sah trocken und strohig aus.
»Aber ich möchte dir doch auch helfen, Julia! Ich weiß nur nicht, was ich tun soll!«
»Schau dir das an. Schau’s dir an!«
Sie ließ seinen Arm los, widerwillig, als rechne sie damit, dass er verschwinden oder davonrennen würde, sobald sie ihn nicht mehr festhielt. Es war unglaublich: Julia führte ziemlich korrekt einen einfachen baskischen Optikzauber namens Ugartes Prismaspray aus.
Sie musste eine Anleitung im Internet gefunden haben. Kleine magische Wissensschnipsel zirkulierten durchaus in der Realität, hauptsächlich im Internet, obwohl sich dazwischen so viel Schwindel verbarg, dass keiner das Echte vom Falschen unterscheiden konnte, selbst diejenigen nicht, die es sich hätten zunutze machen können. Quentin hatte sogar schon einmal einen Brakebills Blazer gesehen, der bei eBay versteigert wurde. Es kam extrem selten vor, war aber nicht gänzlich ausgeschlossen, dass sich Nichtmagier einen oder zwei Zauber auf eigene Faust aneigneten, doch soweit Quentin wusste, waren sie allesamt harmlos. Echte Zauberer nannten solche Laien Pseudohexen oder -magier. Einige traten als Illusionisten auf oder inszenierten sich als Halbgötter und scharten Hexenanhänger, Satanisten und merkwürdige religiöse Sonderlinge um sich.
Julia sprach die Worte der Zauberformel auf theatralische Weise aus, übertrieben artikuliert wie bei einem Shakespearestück auf der Sommerbühne. Sie hatte keine Ahnung von dem, was sie da tat. Quentin sah nervös zur Hintertür der Kirche.
»Schau!« Herausfordernd hob sie die Hand. Der Zauber hatte tatsächlich gewirkt, ansatzweise jedenfalls. Ihre angekauten Fingerkuppen hinterließen schwache, leuchtende Regenbogenspuren in der Luft. Sie bewegte
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