Fillory - Die Zauberer
würgten den abtrünnigen Priester und seine Söhne, aber allen sprudelte fröhlich Wasser aus den Mündern. Sie waren hierhergekommen, um einen Haushaltszauber durchzuführen, mit dem sie Flecken aus einem Rock von Alice entfernen wollten. Wegen der Verschmutzungsgefahr erledigte man das am besten draußen. Allerdings fehlte ihnen eine wichtige Zutat, nämlich Gelbwurz, und sie hatten noch keine Lust, sich wieder auf den Rückweg zu machen. Es war ein wunderbarer Samstagvormittag kurz vor zwölf, und die Temperatur kippelte genau auf dem Punkt zwischen warm und kühl.
»Meinst du?«
»Du nicht?«
»Doch, wahrscheinlich hast du recht.« Er seufzte. »Vermutlich sehen die uns wirklich so. Herzloses Pack. Die sind doch die Snobs.«
Alice warf mit erhobenem Arm eine Eichel gegen den Brunnen. Sie prallte von den stämmigen Knien des Priesters ab und plumpste ins Wasser.
»Glaubst du, das sind wir? Snobs, meine ich?«, fragte Quentin.
»Ich weiß nicht. Nicht unbedingt. Nein, ich glaube nicht. Wir haben doch nichts gegen sie.«
»Stimmt. Manche sind wirklich in Ordnung.«
»Einige genießen sogar unsere höchste Wertschätzung.«
»Genau.« Quentin tauchte seine Fingerspitzen ins Wasser. »Was willst du eigentlich damit sagen? Sollen wir uns aufraffen und neue Freunde suchen?«
Alice zuckte mit den Schultern. »Die Leute hier sind die einzigen anderen Zauberer in unserem Alter auf dem ganzen Kontinent. Sie sind die Einzigen, die so sind wie wir, andere werden wir niemals finden.«
Der Himmel war strahlend blau, und die Äste der Bäume hoben sich deutlich umrissen in der klaren, zitternden Wasserspiegelung des Brunnens ab.
»Gut«, stimmte Quentin zu. »Aber ich freunde mich nicht mit allen an.«
»Nein, bloß nicht! Wir sind natürlich auch ein bisschen wählerisch. Außerdem wissen wir ja noch gar nicht, ob sie sich mit uns anfreunden möchten.«
»Stimmt. Also, mit wem?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Natürlich, Vix«, antwortete Quentin. »Sie sind ja nicht alle gleich.« »Vix« war ein Kosename für Alice, eine Abkürzung für vixen , was sowohl »Xanthippe« als auch »Füchsin« bedeutete – eine Anspielung auf ihr Abenteuer in der Antarktis.
»Also, mit wem?«
»Surendra.«
»Okay. Na klar. Oh nein, er geht doch mit diesem schrecklichen Mädchen aus dem Zweiten Jahr! Du weißt schon, die mit den Zähnen. Sie versucht immer, die Leute nach dem Essen dazu zu bringen, Liebesgedichte zu zitieren. Was ist mit Georgia?«
»Vielleicht gehen wir zu verkopft an die Sache ran. Wir können nichts erzwingen. Wir lassen es einfach auf uns zukommen, ganz natürlich.«
»Okay.« Quentin beobachtete, wie sie ihre Fingernägel studierte, mit ihrem intensiv konzentrierten Vogelblick. Manchmal sah sie so schön aus, dass er kaum glauben konnte, dass sie irgendetwas mit ihm zu tun hatte. Manchmal konnte er kaum glauben, dass sie überhaupt existierte.
»Aber du musst die Initiative ergreifen«, verlangte sie. »Wenn ich es tue, passiert gar nichts. Du weißt, ich bin schrecklich schlecht in so was.«
»Ja, ich weiß.«
Sie bewarf ihn mit einer Eichel.
»Du solltest das nicht noch bestätigen!«
Also rissen sie sich mit einer gemeinsamen Anstrengung aus ihrer Lethargie und unternahmen den verspäteten Versuch, sich mit dem Rest ihres Jahrgangs anzufreunden. Zu den meisten hatten sie im Laufe der Zeit fast völlig den Kontakt verloren. Am Ende war es nicht Surendra oder Georgia, sondern Gretchen – das blonde Mädchen, das am Stock ging –, die sich als Schlüsselperson erwies. Hilfreich dabei war, dass Alice und Gretchen beide Präfektinnen waren, was für sie sowohl Grund zu Stolz als auch zu Verlegenheit war. Der Titel brachte so gut wie keine offiziellen Pflichten mit sich; in erster Linie war es nur eine weitere, infantilisierende Einrichtung des englischen Schulsystems, ein Symptom jener Anglophilie, die so tief in der institutionellen DNA von Brakebills verwurzelt war. Präfekturen wurden an die vier Studenten und Studentinnen aus dem Vierten und Fünften Studienjahr mit dem besten Notendurchschnitt vergeben, die daraufhin eine silberne Anstecknadel mit dem Wappen der Biene auf ihren Jacketts tragen durften (oder besser: mussten). Konkrete Aufgaben bestanden in solch kleinen Pflichten, wie den Zugang zum einzigen Telefon in ganz Brakebills zu regeln. Dieses veraltete Wählscheiben-Ungeheuer versteckte sich in einer von harten Kämpfen gezeichneten Holztelefonzelle, welche sich ihrerseits unter
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