Fillory - Die Zauberer
sie zum ersten Mal hierhergekommen waren.
Die jungen Kommilitonen hockten auf dem Sofa nebeneinander, rutschten herum und tranken ihren Champagner zu schnell aus, wie Kinder, die darauf warteten, endlich entlassen zu werden. Sie stellten höfliche Fragen über die Gemälde und die Cottage-Bibliothek. Durfte man die Bücher mit rausnehmen? Besaßen sie tatsächlich eine Handschrift der Mystica Theologica von Dionysos Areopagita? Ach, echt. Wann war das Cottage erbaut worden? Echt? Wow. Ganz schön alt. Echt antik.
Nachdem sie der Höflichkeit genüge getan hatten, verschwanden sie alle miteinander im Billardraum, offensichtlich ohne das geringste Interesse an einer Begleitung. Da Quentin und Alice ihrerseits keinerlei Interesse daran hatten, sie jemals wiederzusehen, blieben sie, wo sie waren. Im Laufe des Abends drangen Geräusche jugendlicher Verbrüderung aus dem Billardzimmer. Quentin und Alice erkannten, dass sie Überbleibsel einer vergangenen Ära waren, die ihre Zeit überschritten hatte. Sie hatten den Kreis vollendet und waren wieder zu Außenseitern geworden. »Ich fühle mich wie ein ältlicher Dozent«, bemerkte Quentin.
»Und ich habe ihre Namen schon fast wieder vergessen«, sagte Alice. »Sie kommen mir wie Vierlinge vor.«
»Wir sollten sie durchnummerieren und ihnen erzählen, das sei so Tradition.«
»Und dann nennen wir sie konsequent bei der falschen Zahl. Wir verwirren sie. Oder wir geben ihnen allen denselben Namen. Alfred oder so.«
»Auch den Mädchen?«
»Gerade denen.«
Sie schlürften die lauwarmen Reste des Champagners. Er stieg ihnen zu Kopfe, aber das machte Quentin nichts aus. Aus dem Billardraum drang das Klirren von zerbrechendem Glas – wahrscheinlich eine Champagnerflöte – und dann, ein wenig später, das Geräusch eines Fensters, das aufgeschoben wurde, und kurz darauf Würgelaute. Hoffentlich kotzten sie aus dem Fenster.
»Das Problem mit dem Erwachsenwerden«, sinnierte Quentin, »besteht darin, dass man, einmal erwachsen, die nicht Erwachsenen nicht mehr lustig findet.«
»Wir hätten das Cottage niederbrennen sollen«, sagte Alice finster. Sie waren definitiv betrunken. »Wir hätten als Letzte rausgehen, die Tür hinter uns zumachen und es abfackeln sollen.«
»Und dann wären wir fortgegangen, hinter uns das brennende Haus, wie im Film.«
»Das Ende einer Ära. Das Ende einer Epoche. Was denn jetzt? Ära oder Epoche? Worin besteht eigentlich der Unterschied?«
Quentin wusste es nicht. Sie würden sich etwas anderes suchen müssen, dachte er benebelt. Etwas Neues. Hier konnten sie nicht bleiben. Sie konnten nicht zurückgehen. Nur vorwärts.
»Meinst du, dass wir damals auch so waren?«, fragte Quentin. »Wie diese Kinder?«
»Wahrscheinlich. Ich wette, wir waren sogar noch schlimmer. Keine Ahnung, wie die anderen uns ertragen haben.«
»Du hast recht«, sagte er. »Du hast recht. Mein Gott, sie waren so viel netter als wir!«
In diesem Winter fuhr Quentin in den Ferien nicht nach Hause. Um die Weihnachtszeit – die richtige Weihnachtszeit, draußen – führte er die übliche Diskussion mit seinen Eltern über den ungewöhnlichen Stundenplan in Brakebills, an den er sie jedes Jahr aufs Neue erinnern musste, während er in der alten Telefonzelle unter der Hintertreppe herumlungerte, einen Fuß gegen die Holzfalttür gestemmt. Als dann nach dem Brakebills-Kalender Weihnachten kam, war es in der wirklichen Welt bereits März und es schien nicht mehr so wichtig, zurückzukehren. Wenn sie ihn darum gebeten hätten, ja, wenn sie nur für einen Augenblick hätten durchschimmern lassen, dass sie ihn gerne sehen wollten oder enttäuscht wären, wenn er nicht käme –, hätte er vielleicht nachgegeben. Doch, das hätte er, und zwar sofort. Aber sie waren so unbekümmert, desinteressiert und oberflächlich wie immer. Außerdem verlieh es ihm ein Gefühl der Unabhängigkeit, ihnen kühl mitzuteilen, dass er andere Pläne habe, vielen Dank auch.
Stattdessen begleitete Quentin Alice nach Hause. Es war ihre Idee gewesen, obwohl sich Quentin kurz vor den Ferien nicht mehr sicher war, warum sie ihn eigentlich eingeladen hatte, da sie sich bei dem Gedanken daran höllisch unbehaglich zu fühlen schien.
»Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht!«, antwortete sie, als er sie nach dem Grund dafür fragte. »Ich dachte, Freundinnen und Freunde machen das eben so!«
»Ist ja egal, ich muss ja nicht unbedingt mitkommen. Ich bleibe einfach hier. Sag, ich müsste ein
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