Fillory - Die Zauberer
Händen und diesem Mona-Lisa-Lächeln war es ihr durchaus zuzutrauen.
»Hab ich mir’s doch gedacht«, sagte sie und stand auf. »Danke, Quentin. Ich schicke dann den nächsten Prüfer herein.«
Quentin sah sie hinausgehen und tastete immer noch an sich herum, auf der Suche nach der fehlenden Münze. Zum ersten Mal in seinem Leben wusste er nicht, ob er bestanden hatte oder durchgefallen war.
Den ganzen Nachmittag über ging es so weiter: Die Professoren gaben sich die Klinke in die Hand. Es war wie ein Traum, ein langer, weitschweifiger Traum ohne erkennbare Bedeutung. Es kam ein alter Mann mit wackelndem Kopf, der in seinen Hosentaschen wühlte und eine Handvoll ausgefranster, vergilbter, verknoteter Seile herauszog, auf den Tisch warf und mit einer Stoppuhr kontrollierte, wie lange Quentin brauchte, um die Knoten zu lösen. Eine schüchterne, hübsche junge Frau, die kaum älter aussah als Quentin, bat ihn, auf der Grundlage seines bisherigen Eindrucks eine detaillierte Karte von dem Haus und dem Grundstück zu zeichnen. Ein schmieriger Kerl mit einem Riesenkopf, der nicht aufhören konnte zu reden, forderte ihn zu einer merkwürdigen Blitzschach-Variante heraus. Nach einer Weile konnte er das Spiel nicht einmal mehr ernst nehmen – es war, als würde hauptsächlich getestet, wie leichtgläubig er war. Ein dicker Mann mit roten Haaren und wichtigtuerischem Gehabe ließ eine winzige Eidechse mit schillernden Kolibriflügeln und riesigen, aufmerksamen Augen im Zimmer fliegen. Der Mann sagte nichts, sondern setzte sich nur auf den Rand des Tisches, der unter seinem Gewicht gequält knarrte.
Da ihm nichts Besseres einfiel, versuchte Quentin, die Eidechse auf seinen Finger zu locken. Sie stürzte aus der Luft nach unten und biss ihm ein winziges Stück Haut aus dem Unterarm, wo ein Blutstropfen erschien. Dann zischte sie ab und knallte gegen das Fenster wie eine Hummel. Der dicke Mann reichte Quentin stumm ein Pflaster, sammelte seine Eidechse ein und verschwand.
Endlich schloss sich die Tür und wurde nicht wieder geöffnet. Quentin atmete tief durch und rollte die Schultern. Offenbar war die Prozession zu Ende, obwohl sich niemand die Mühe gemacht hatte, Quentin in irgendeiner Weise über Ablauf und Ergebnisse zu informieren. Wenigstens hatte er jetzt ein paar Minuten für sich. Inzwischen ging die Sonne unter. Er konnte sie vom Prüfungsraum aus nicht sehen, hatte aber Aussicht auf einen Springbrunnen. Das Licht, das sich im Wasser spiegelte, war von einem kühlen, dunklen Orange. Nebel stieg zwischen den Ästen der Bäume auf. Das College-Gelände war verlassen.
Er rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. Allmählich konnte er wieder einen klaren Gedanken fassen. Gleichzeitig stieg in ihm die längst überfällige Frage auf, was zum Teufel seine Eltern wohl denken mochten. Normalerweise war es ihnen ziemlich egal, wann er kam oder ging, aber sogar sie machten sich irgendwann Sorgen. Die Schule war jetzt schon seit Stunden aus. Vielleicht glaubten sie, sein Bewerbungsgespräch habe sich ungewöhnlich lange hingezogen, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich überhaupt an diesen Termin erinnerten, ziemlich gering war. Aber wenn es hier Sommer war, hatte die Schule vielleicht noch nicht einmal begonnen? Der seltsame Schwindel, der ihn den ganzen Nachmittag über benebelt hatte, ließ allmählich nach. Er fragte sich jetzt, wie sicher er eigentlich hier war. Wenn das ein Traum war, dann sollte er besser so bald wie möglich aufwachen.
Durch die geschlossene Tür hörte er deutlich jemanden weinen: einen Jungen, und er klang viel zu alt, um noch vor den Augen anderer in Tränen auszubrechen. Ein Lehrer sprach leise und streng mit ihm, aber der Junge wollte oder konnte nicht aufhören. Quentin versuchte, nicht darauf zu achten, aber es war ein bedrohliches, unmenschliches Geräusch, das die äußeren Schichten von Quentins hart erarbeiteter Teenager-Coolness ankratzte. Darunter kam etwas wie Furcht zum Vorschein. Die Stimmen wurden leiser; der Junge wurde wohl weggebracht. Quentin hörte den Dekan mit eisiger, abgehackter Stimme reden, als versuche er nicht zu verärgert zu klingen.
»Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob mich das überhaupt noch in irgendeiner Weise interessiert.«
Er gab eine Antwort, irgendetwas Unverständliches.
»Wenn wir kein Quorum haben, schicken wir sie einfach alle nach Hause und setzen ein Jahr aus.« Foggs vornehme Reserviertheit bekam hörbar Risse. »Ich
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