Fillory - Die Zauberer
Karten zu mischen. Es gab keinen Weg zurück. Die Bewegungen aller verlangsamten sich, bis sie in sehr langsamer Zeitlupe abliefen, als hätte sich der Raum mit einer viskosen, aber vollständig durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt, in der alles leicht und ruhig dahinschwebte. Alle und jedes, bis auf Quentin, der sich schnell bewegte. Mit zusammengelegten Händen, als ließe er eine Taube fliegen, warf er das Kartenspiel geschickt hinauf zur Decke. Das Spiel verteilte sich, und die Karten flatterten durch die Luft wie ein Meteorit, der beim Eintritt in die Erdatmosphäre in kleine Teilchen zerbrach, und als die Karten hinunterflatterten, stapelten sie sich von selbst auf dem Tisch zu einem Kartenhaus auf – einem erkennbaren, wenn auch impressionistischen Modell des Gebäudes, in dem sie sich befanden. Die Karten fielen wie zufällig, aber jede fand unfehlbar ihren Platz und fügte sich wie magnetisch an ihre Nachbarkarten, Kante an Kante, eine nach der anderen. Die letzten beiden, das Pik- und das Herz-Ass, bildeten aneinandergelehnt das Dach über dem Glockenturm.
Im Zimmer herrschte jetzt absolute Stille. Dekan Fogg saß da wie angefroren. Auf Quentins Armen hatten sich alle Härchen aufgerichtet, aber er fühlte sich ruhig und beherrscht. Seine Finger zogen fast unsichtbare Phosphorstreifen durch die Luft, wenn sie sich bewegten. Er fühlte sich high. Er lehnte sich nach vorn und blies das Kartenhaus sanft an, da fiel es wieder zu einem ordentlichen Stapel in sich zusammen. Er drehte das Spiel um und fächerte es über den Tisch auf wie ein Blackjack-Geber. Jede Karte war eine Dame – in allen Standard-Kartenmustern, aber auch anderen, die es in Wirklichkeit gar nicht gab, in verschiebenden Farben, Grün, Gelb und Blau. Die Horn-Dame, die Uhr-Dame, die Bienen-Dame, die Buch-Dame. Einige waren bekleidet, andere schamlos nackt. Einige von ihnen trugen Julias Gesicht, andere das der schönen Sanitäterin.
Dekan Fogg ließ Quentin nicht aus den Augen. Alle beobachteten ihn. Ja, seht her: Quentin fasste das Spiel wieder zusammen und riss es ohne erkennbare Anstrengung in zwei Hälften. Dann riss er diese in der Mitte durch und warf die Schnipsel wie Konfetti in das versammelte Publikum. Alle zuckten zusammen, außer Fogg.
Quentin stand auf. Sein Stuhl kippte rückwärts um.
»Sagen Sie mir, wo ich bin«, bat er leise. »Sagen Sie mir, was ich hier tue.«
Er nahm einen Stapel Nickel in die Faust, nur, dass es jetzt kein Münzstapel mehr war, sondern der Griff eines glänzenden, blitzenden Schwertes, das er mühelos aus der Tischplatte herauszog, als wäre es darin bis zum Heft verborgen gewesen.
»Sagen Sie mir, was hier vor sich geht«, sagte Quentin, jetzt lauter, an das ganze Publikum gewandt. »Und wenn dieser Ort nicht Fillory ist, würde mir dann endlich mal jemand erklären, wo zum Teufel ich hier bin?«
Quentin hielt für ein paar lange Augenblicke die Spitze des Schwertes unter Foggs Nase, schwang es dann herum und bohrte es wieder in die Tischplatte. Die Spitze drang tief in das butterweiche Holz ein und blieb dann stecken.
Fogg regte sich nicht. Das Schwert vibrierte kurz und kam dann zur Ruhe. Quentin zog unwillkürlich die Nase hoch. Das hereinfallende Licht erstarb. Es war Nacht.
»Na schön«, sagte der Dekan schließlich. Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf, holte ein sauber gefaltetes Taschentuch aus der Hose und betupfte sich damit die Stirn. »Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass er bestanden hat.«
Irgendjemand – der alte Mann mit den Knoten – legte Quentin beruhigend die Hand auf den Rücken, zog sanft, aber mit erstaunlicher Kraft, das Schwert heraus und legte es sicherheitshalber flach auf die Seite. Applaus plätscherte unter den versammelten Prüfern auf, zunächst zögerlich. Dann wurde er zu einer Ovation.
ELIOT
Später konnte sich Quentin nicht mehr an viel aus jener Nacht erinnern, außer, dass er sie in der Schule verbracht hatte. Er war erschöpft, ausgebrannt und schwach, als hätte er Drogen genommen. Seine Brust fühlte sich an wie ausgehöhlt. Er hatte nicht einmal mehr Hunger, er wollte nur noch schlafen. Es war ihm peinlich, aber niemand schien sich daran zu stören. Professor Van der Weghe, so lautete der Name der dunkelhaarigen Dame, erklärte ihm, diese Erschöpfung sei absolut normal nach seiner ersten Kleinen Beschwörung, was immer das auch sein mochte. Danach wäre jeder erledigt. Außerdem versprach sie ihm, dass die Sache mit seinen Eltern
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