Fillory - Die Zauberer
meine ich. Höchstens fünf Gläser für jeden zum Beispiel. Es macht mir Spaß, solchen Mist rauszufinden, die Stelle, an der sich das System mit seinen eigenen Regeln fickt.«
Er zuckte mit den Schultern.
»Ich war eben gelangweilt. Der Test hat mir schon nach zwanzig Minuten gesagt, dass ich fertig bin.«
»Nach zwanzig Minuten?« Quentin war hin- und hergerissen zwischen Bewunderung und giftigem Neid. »Gott, ich habe zwei Stunden dafür gebraucht!«
Wieder zuckte der Punk mit den Schultern und verzog das Gesicht. Was zum Teufel sollte er dazu sagen?
Das Verhältnis unter den Prüflingen schwankte zwischen Kameraderie und Misstrauen. Einige der Jugendlichen erzählten sich, wie sie hießen, wo sie herkamen und wie der Test gelaufen war. Doch je mehr sie ihre Notizen verglichen, desto mehr stellte sich heraus, dass keiner dieselbe Prüfung absolviert hatte.
Die Teilnehmer kamen aus allen Ecken und Enden des Landes. Nur zwei von ihnen stammten aus demselben Inuit-Reservat in Saskatchewan. Sie liefen durch den Raum und jeder erzählte die Geschichte, wie er hierhergeraten war. Keine war genau gleich, aber es gab immer gewisse Ähnlichkeiten: ein verlorengegangener Ball auf der Straße, eine verirrte Ziege in einem Abflussgraben, ein merkwürdiges Zusatzkabel im Computerraum der Highschool, das zu einem Serverschrank führte, der vorher nicht dagewesen war. Und dann: grünes Gras, Sommerhitze und jemand, der sie hinauf in den Examensraum brachte.
Gleich nach dem Mittagessen steckten die Lehrer nacheinander die Köpfe herein und riefen die Namen einzelner Kandidaten auf. Da sie alphabetisch vorgingen, dauerte es nur wenige Minuten, ehe eine strenge Frau zwischen vierzig und fünfzig mit dunklem, schulterlangem Haar Quentin Coldwater aufrief. Er folgte ihr in einen schmalen, holzverkleideten Raum mit hohen Fenstern, durch die man aus erstaunlicher Höhe auf den Rasen blickte, den er vorhin überquert hatte. Das Geplapper aus dem angrenzenden Examensraum war in der Sekunde nicht mehr zu hören, in der die Tür geschlossen wurde. Zwei Stühle standen einander gegenüber an einem langen, abgenutzten, sehr schweren Holztisch.
Quentin schwindelte, als ob er das Ganze im Fernsehen gucken würde. Es war lächerlich. Aber er zwang sich, sich zu konzentrieren. Das hier war eine Prüfung, und er war ein Ass in Prüfungen. Auch hier wollte er gut abschneiden, und er spürte, dass immer mehr auf dem Spiel stand. Der Tisch war leer bis auf ein Kartenspiel und einen Stapel von etwa einem Dutzend Münzen.
»Wie ich gehört habe, magst du Zaubertricks, Quentin«, sagte die Frau. Sie hatte einen ganz leichten Akzent, europäisch, aber ansonsten undefinierbar. Isländisch vielleicht? »Warum zeigst du mir nicht ein paar?«
Tatsächlich liebte Quentin Zaubertricks. Sein Interesse an der Zauberei war vor drei Jahren erwacht, teils inspiriert durch seine Lesegewohnheiten, aber hauptsächlich, um seine außerschulischen Aktivitäten durch eine weitere zu ergänzen, bei der er nicht notwendigerweise mit anderen Leuten kommunizieren musste. Quentin hatte Hunderte emotional karge Stunden nur mit seinem iPod darauf verwendet, Münzen verschwinden zu lassen, Karten zu mischen und in einer Trance der Langeweile künstliche Blumen aus dünnen Plastikstäben entstehen zu lassen. Immer wieder sah er sich körnige, pornoähnliche Lehrvideos an, in denen Männer mittleren Alters vor aufgehängten Betttüchern Zaubertricks in Nahaufnahme zeigten. Die Zauberei, so stellte Quentin fest, war alles andere als romantisch. Sie war trocken, mühselig und trügerisch. Er übte bis zum Umfallen und wurde sehr gut darin.
In der Nähe von Quentins Elternhaus gab es einen Laden, der Zaubereibedarf verkaufte, neben billigen Elektroartikeln, verstaubten Brettspielen, Gummikotze und anderen, teils längst veralteten Scherzartikeln. Ricky, der Verkäufer, der, wie ein Amish-Farmer, einen Bart und lange Koteletten, aber keinen Schnurrbart hatte, erklärte sich widerstrebend bereit, Quentin ein paar Tricks zu zeigen. Es dauerte nicht lange, bis der Lehrling den Meister übertrumpfte. Mit siebzehn konnte Quentin den Scotch and Soda und den schwierigen, einhändigen Charlier Cut, und er konnte das knifflige Mills-Mess-Muster mit drei Bällen und manchmal, wenn er besonders gut in Form war, mit vier Bällen jonglieren. Jedes Mal gewann er in der Schule ein wenig an Popularität hinzu, wenn er seine Geschicklichkeit bewies, indem er eine normale Spielkarte mit
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