Fillory - Die Zauberer
seine Kommilitonen, die erst bei der Popper-Etüde Nummer 27 angelangt waren, während er bereits die glorreichen Höhen der Nummer 51 überwunden hatte und diese, weiter auf dem Weg nach oben, unter sich immer kleiner werden sah. Er begann, das schäbige verbaute Zimmer zu hassen, in dem er, Penny und Alice ihre Nachtschicht absaßen. Er hasste den bitteren, verbrannten Geruch des Kaffees, den sie tranken, bis er ihn am liebsten gegen die milden Aufputschmittel eingetauscht hätte, die Penny nahm. Er erkannte diese reizbare, unangenehme, unglückliche Person wieder, die aus ihm geworden war: Sie ähnelte frappierend dem Quentin, den er geglaubt hatte, in Brooklyn zurückgelassen zu haben.
Quentin lernte jedoch nicht ausschließlich in dem trapezförmigen Abstellraum. An den Wochenenden konnte er arbeiten, wo immer er wollte, zumindest tagsüber. Meistens blieb er in seinem eigenen Zimmer, aber manchmal stieg er auch die hohe Wendeltreppe zum Observatorium von Brakebills hinauf, einer eindrucksvollen, wenn auch antiquierten Einrichtung unter dem Dach eines der Türme. Es enthielt ein mächtiges Teleskop aus dem späten neunzehnten Jahrhundert, lang und dick wie ein Telefonmast, der schräg aus der grünspanbedeckten Kupferkuppel in den Himmel hinausragte. Einer der Dozenten musste dieses veraltete Instrument abgöttisch lieben, denn das komplizierte System von Zahnrädern und Gelenken, in das es gelagert war, sah stets frisch geölt und auf Hochglanz poliert aus.
Quentin las gerne im Observatorium, weil es hoch oben lag, gut beheizt war und relativ selten besucht wurde: Nicht nur war es mühselig, hinaufzugelangen, sondern das Teleskop war tagsüber sowieso nutzlos. Das reichte normalerweise, um ihn einen Nachmittag erhabener, winterlicher Stille genießen zu lassen. Doch an einem Samstag Ende November entdeckte er, dass er nicht der Einzige war, dem daran gelegen war. Als Quentin die Wendeltreppe bis oben hin erklommen hatte, war die Falltür bereits geöffnet. Er steckte den Kopf hinauf in den kreisrunden, in gelbliches Licht getauchten Raum.
Es war, als blicke er in eine andere Welt, einen seltsamen, fremden Planeten, der auf unheimliche Weise seinem eigenen glich, nur irgendwie verzerrt. Der Eindringling war Eliot. Er kniete wie ein Bittsteller vor einem alten, orangefarbenen Armsessel mit zerschlissenem Polster, der in der Mitte des Raumes stand, im Zentrum der kreisförmigen Teleskopspur. Quentin hatte sich immer gewundert, wer wohl diesen Sessel dort hinaufgebracht und warum sich überhaupt jemand solche Mühe gegeben hatte – offenbar war Magie im Spiel, da er weder durch die Falltür noch durch eines der winzigen Fenster gepasst hätte.
Eliot war nicht allein. Eine weitere Person saß in dem Sessel. Zwar konnte Quentin ihn von seiner Position aus nicht richtig sehen, aber er glaubte, einen Kommilitonen aus dem zweiten Studienjahr zu erkennen, einen unauffälligen Jungen mit glatten, rostfarbenen Haaren. Quentin kannte ihn kaum. Er hieß Eric oder so ähnlich.
»Nein!«, sagte Eric, und dann noch einmal, streng: »Nein! Kommt nicht in Frage!« Er lächelte. Eliot wollte aufstehen, aber der Junge drückte ihn spielerisch an der Schulter herunter. Er war nicht besonders groß. Die Autorität, mit der er über Eliot gebot, war nicht körperlicher Natur. »Du kennst die Regeln«, sagte er, als ermahne er ein kleines Kind.
»Bitte? Nur dieses eine Mal?« Quentin hatte Eliot noch nie in diesem weinerlichen, schmeichelnden, infantilen Ton sprechen hören. »Bitte?« Nie hätte er gedacht, Eliot jemals so reden zu hören.
»Kommt nicht in Frage!« Eric berührte die Spitze von Eliots langer, blasser Nase mit dem Zeigefinger. »Nicht, bis du alle deine Aufgaben erledigt hast. Jede Einzelne. Und zieh dieses blöde Hemd aus, es ist erbärmlich.«
Quentin begriff, dass sie dieses Spiel schon öfter gespielt hatten. Er wurde zum Zeugen eines intimen Rituals.
»Na gut«, sagte Eliot bockig. »Aber das Hemd ist doch gar nicht so schlecht«, murmelte er.
Eric brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. Dann spuckte er ihn an, und ein weißer Tropfen landete auf Eliots makelloser Hemdenbrust. Quentin las die Angst in Erics Augen, damit möglicherweise zu weit gegangen zu sein. Der Sessel raubte Quentin teilweise die Sicht, aber nicht ganz, als Eliot klimpernd an Erics Gürtelschnalle fummelte, dann an seinem Hosenschlitz. Dann zog er ihm die Hose runter und entblößte seine dünnen bleichen
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