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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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glich einem glatten reinen Leinentuch, das um sie herum ausgebreitet und an den Seiten festgesteckt war. Außer einigen Hirschen und Truthähnen hatte es niemand seit dem letzten Schneefall überquert. »Ich glaube nicht, dass es ihn sehr beunruhigt, wenn wir uns rausschleichen. Aber er weiß es zu schätzen, wenn man sich Mühe gibt, es nicht allzu offensichtlich zu tun.«
    Sie erreichten das Ende der weiten Rasenfläche, drehten sich um und blickten zurück auf das Haus. Ein Fenster war erleuchtet, das Zimmer eines Dozenten im Erdgeschoss. Eine Eule schrie. Ein dunstiger Mond bleichte die Wolken weiß, die über den sperrigen Umrissen des Dachs schwebten. Die Szene wirkte wie in einer Schneekugel. Sie hätte nur noch geschüttelt werden müssen.
    Unwillkürlich wurde Quentin an die Fillory-Bücher erinnert, den Teil aus Die Welt in den Wänden, als Martin und Fiona durch die Wälder wandern und nach den Bäumen suchen, die die Wächterin verzaubert hat. Jeder dieser Bäume trägt eine runde, tickende Uhr im Stamm. Unter den Bösewichtern hob sich die Wächterin als seltsames Wesen hervor. Sie richtete selten etwas wirklich Schlimmes an, jedenfalls hatte sie noch keiner je dabei beobachtet. Meist wurde sie ohnehin nur von ferne gesehen. Sie rannte mit einem Buch in der einen und einer fein gearbeiteten Uhr in der anderen umher. Manchmal fuhr sie in einer geschmacklosen, vergoldeten Uhren-Kutsche, die beim Fahren laut tickte. Stets trug sie einen Schleier, der ihr Gesicht verbarg. Wo immer sie hinkam, pflanzte sie ihr Markenzeichen, die Uhrenbäume.
    Quentin erwischte sich dabei, wie er auf ein Ticken lauschte, aber ringsum herrschte vollkommene Stille, bis auf ein gelegentliches Krachen und Knacken tief im Wald, verursacht durch den Frost.
    »Hier bin ich bei meiner Ankunft rausgekommen«, erzählte er. »Im Sommer. Ich wusste nicht mal, was Brakebills war. Ich dachte, ich wäre in Fillory.«
    Alice lachte laut und fröhlich auf. Quentin fragte sich, was daran so lustig war.
    »Entschuldigung!«, keuchte sie. »Ich habe die Bücher so gerne gelesen, als ich klein war!«
    »Und wo bist du durchgekommen?«
    »Da drüben«, sagte sie und zeigte auf eine andere Baumreihe, die genauso aussah wie die an Quentins Stelle. »Aber ich bin nicht genauso reingekommen wie du. Ich meine, durch ein Portal.«
    Quentin dachte insgeheim, dass man sich für die unfehlbare Alice gewiss eine besondere, extra-magische Art des Transports ausgedacht hatte. Es fiel nun mal schwer, sie nicht zu beneiden. Sicher hatten sie eine verzauberte Telefonzelle für sie aufgestellt oder sie mit einer Feuer-Kutsche abgeholt. Gezogen von Thestralen.
    »Ich bin zu Fuß hergekommen? Ich war gar nicht eingeladen?« Sie sprach in einem fragenden Tonfall, übertrieben lässig, aber ihre Stimme klang auf einmal unsicher. »Mein Bruder ist hier gewesen, und ich wollte auch immer hierhin, aber ich wurde nie eingeladen. Und plötzlich war ich beinahe schon zu alt. Deswegen bin ich von zu Hause weggelaufen. Ich habe endlos auf eine Einladung gewartet, aber vergeblich. Ich wusste, dass ich das erste Studienjahr schon verpasst hatte. Ich bin ein Jahr älter als du, weißt du.«
    Nein, das hatte er nicht gewusst. Sie sah jünger aus.
    »Ich bin mit dem Bus von Urbana nach Poughkeepsie gefahren und dann mit Taxis bis hierher, so weit es ging. Ist dir schon mal aufgefallen, dass es hier weit und breit keine Zufahrtsstraße gibt? Nicht mal eine Landstraße. Die nächste Straße ist die Autobahn.« Das war die längste Rede, die Quentin jemals von Alice gehört hatte. »Ich habe mich auf dem Seitenstreifen absetzen lassen, mitten in der Einöde. Die letzten fünf Meilen musste ich zu Fuß gehen. Ich habe mich verirrt und musste im Wald übernachten.«
    »Du hast im Wald übernachtet? Wie denn, auf dem Boden?«
    »Ich weiß, ich hätte ein Zelt mitnehmen sollen. Irgend so etwas. Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren war, ich war einfach hysterisch.«
    »Und dein Bruder? Konnte er dich nicht reinlassen?«
    »Er ist gestorben.«
    Sie sagte das ganz nüchtern, rein informativ, aber es versetzte Quentin einen Stich. Er hätte sich nie vorgestellt, dass Alice Geschwister hatte, schon gar nicht einen toten Bruder. Oder dass sie kein wundervolles Leben führte.
    »Alice«, sagte er. »Das ist doch absoluter Blödsinn. Du weißt, dass du die Beste von uns allen bist?«
    Sie ließ das Kompliment mit einem Achselzucken von sich abgleiten und starrte grimmig zum Haus

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