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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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Oberschenkel.
    »Vorsicht!«, warnte Eric. Sein Theaterspiel, wenn es eines war, wirkte nicht besonders gefühlvoll. »Kleine Schlampe. Du kennst die Regeln.«
    Quentin hätte nicht sagen können, warum er noch einen Moment wartete, ehe er sich duckte und die Leiter wieder hinunterstieg, zurück in sein ruhiges, wohlbekanntes Heimatuniversum, aber er konnte die Augen einfach nicht abwenden. Er blickte direkt in das nackte Drahtgeflecht von Eliots Seelenmaschinerie. Wie konnte er so ahnungslos gewesen sein? Er fragte sich, ob es ein jährliches Ritual war und ob Eliot ein, zwei Jungen pro Jahr verschliss, sie zu seinen Favoriten erhob und wegwarf, wenn sie nicht mehr funktionierten. Musste er sich wirklich derart verstecken? Sogar in Brakebills? Quentin horchte auch in sich hinein, ob er vielleicht ein wenig verletzt war. Wenn es das war, was Eliot wollte, warum hatte er sich dann nicht ihm genähert? Doch so sehr er sich nach Eliots Aufmerksamkeit sehnte, hätte er dabei wahrscheinlich nicht mitgespielt. Es war besser so. Eliot hätte ihm nie verziehen, wenn er sich geweigert hätte.
    Die lüsterne Gier, mit der Eliot den Gegenstand betrachtete, an dem er seine Aufgaben erfüllen sollte, überstieg alles bisher Gesehene. Quentin hatte genau in Eliots Blickrichtung gestanden, aber nicht einmal waren die Augen seines Freundes zu ihm abgeschweift.
    Quentin beschloss, seine Lektüre anderswo fortzusetzen.
     
    Er beendete Lady Amelia Poppers Praktische Übungen für junge Zauberer, Band I, um Mitternacht, in der Nacht vor dem Examen. Es war ein Sonntag. Behutsam schloss er das Buch und starrte eine Weile lang den Einband an. Seine Hände zitterten. Sein Kopf schwirrte und fühlte sich schwerelos an. Sein Körper war unnatürlich schwer. Er konnte nicht so sitzen bleiben, aber er war auch zu aufgedreht, um sofort ins Bett zu gehen. Er raffte sich von der durchgesessenen Couch auf, zwängte sich in seinen Mantel und verkündete, er unternehme noch einen Spaziergang.
    Zu seiner Überraschung schlug Alice vor, ihn zu begleiten. Penny starrte nur auf die grüne, düstere Landschaft im Spiegel und wartete darauf, dass sein blasses, stoisches Gesicht wieder erschien, damit er mit seinen Übungen fortfahren konnte. Er blickte nicht auf, als sie gingen.
    Quentin hatte vorgehabt, durch den Irrgarten und über das schneebedeckte Meer bis zum anderen Ende zu wandern. Er wollte aus dieser Entfernung das stille, mächtige Haus betrachten und darüber nachdenken, warum sein Aufenthalt hier sich als so viel weniger vergnüglich erwies, als er es hätte sein sollen. Er wollte sich so weit beruhigen, dass er schlafen gehen konnte. Mit Alice zusammen würde er das wohl ebenso gut können wie alleine. Er ging auf die Glastüren zu, die zur hinteren Terrasse führten.
    »Nein, nicht da lang«, warnte Alice.
    Nach der Sperrstunde seien die Glastüren mit einem magischen Alarm geschützt. Er gehe genau im Zimmer des Dozenten los, der abends die Aufsicht führe, erklärte die unfehlbare Alice. Sie führte Quentin zu einer Seitentür, die er noch nie zuvor gesehen hatte, ungesichert und verborgen hinter einem Wandbehang. Sie öffnete sich zu einer schneebedeckten Hecke. Die beiden zwängten sich hindurch, hinaus in die eisige Dunkelheit.
    Quentin war mindestens einen Kopf größer als Alice, hauptsächlich durch seine wesentlich längeren Beine, doch sie hielt verbissen Schritt mit ihm. Gemeinsam durchquerten sie den mondbeschienenen Irrgarten und machten sich auf den Weg über das gefrorene Meer. Der Schnee war knöcheltief und sie kickten beim Gehen kleine Lawinen vor sich her.
    »Ich bin jede Nacht hier draußen«, erzählte Alice und brach damit als Erste das Schweigen.
    In seinem Zustand akuten Schlafmangels hatte Quentin fast vergessen, dass sie da war.
    »Jede Nacht?«, fragte er dümmlich. »Wirklich? Warum denn?«
    »Nur … ach, du weißt schon.« Sie seufzte. Ihr Atem bildete kleine weiße Wölkchen im Mondlicht. »Um den Kopf frei zu bekommen. Es ist ziemlich laut im Mädchenturm. Man kann gar nicht klar denken. Hier draußen ist es ruhig.«
    Es war merkwürdig, wie normal es sich anfühlte, mit der ansonsten so zurückgezogenen Alice allein zu sein. »Kalt ist es«, bemerkte Quentin. »Meinst du, sie wissen, dass wir die Sperrstunde missachten?«
    »Natürlich. Fogg auf jeden Fall.«
    »Aber wenn er es weiß, bräuchten wir uns ja eigentlich gar nicht die Mühe zu machen …«
    »… durch die Seitentür zu schlüpfen?« Das Meer

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