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Fillory - Die Zauberer

Fillory - Die Zauberer

Titel: Fillory - Die Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lev Grossman
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erneuerten und stärkten sie und fügten neue hinzu. Professor Sunderland verbrachte einen ganzen Tag lang damit, rückwärts um das gesamte Schulgelände herumzulaufen und bunte Pulver in verschlungenen Spuren auf dem Schnee hinter sich zu streuen, wobei ihre runden Wangen vor Kälte ganz rosig wurden. Professor Van der Weghe folgte ihr und kontrollierte ihre Arbeit, und vor ihr schwärmte ein schnatternder Trupp aufmerksamer Studenten aus, um Gestrüpp und heruntergefallene Äste aus dem Weg zu räumen und ihre Lehrerin mit frischem Pulver zu versorgen. Das Ritual musste in einem ununterbrochenen Zirkel ausgeführt werden.
    Den Hörsaal zu reinigen war einfacher; es wurden lediglich einige Glocken geläutet und Salbeibüschel in den Ecken verbrannt. Die wichtigsten Schutzzauber der Schule zu erneuern dauerte hingegen eine gute Woche. Studentengerüchten zufolge standen sie alle zu einem riesigen schmiedeeisernen Totem in Verbindung, der sich in einem geheimen Raum im exakten geographischen Mittelpunkt der Schule befand, wo immer der auch sein mochte. Niemand hatte dieses geheimnisvolle Objekt jedoch bisher gesehen. Professor March, dessen Blick nach seinem Martyrium für immer etwas Ängstliches, Gehetztes hatte, durchstreifte endlos die Keller, Unterkeller und Katakomben der Schule, wo er wie besessen die Fundamentzauber erneuerte und verstärkte, die sie vor einem Angriff aus der Tiefe schützten. Das Dritte Studienjahr hatte zur Tag- und Nachtgleichenparty ein großes Feuer entfacht, aber jetzt bereitete das Kollegium ein richtiges vor, aus speziell präparierten Zedernholzscheiten, getrocknet, entrindet und so gerade wie Eisenbahnschwellen, aufgeschichtet nach einem geheimnisvollen, den Blick verwirrenden Muster, wie ein gigantisches chinesisches Puzzle. Professor Heckler brauchte einen ganzen Tag, um es richtig hinzubekommen. Als er den Holzstoß endlich mit einem gezwirbelten Stück Papier anzündete, auf das russische Wörter gekritzelt waren, flammte der Scheiterhaufen auf wie Magnesium. Die Studenten waren davor gewarnt worden, direkt hineinzuschauen.
    In gewisser Weise gehörte das alles ebenfalls zu ihrer Ausbildung. Es gab ihnen die Gelegenheit, mitzuerleben, wie angewandte Magie im richtigen Leben funktionierte, wenn tatsächlich etwas Wichtiges auf dem Spiel stand. Nur, dass es keinen Spaß machte. Beim Abendessen herrschte neuerdings Stille. Viele hatten gerötete Augen, und auf allen lastete diese neue Art der Bedrohung. Eines Morgens fanden sie den Raum eines Erstsemesters ausgeräumt vor. Er hatte sein Studium abgebrochen und war über Nacht nach Hause zurückgekehrt. Es war nicht ungewöhnlich, auf kleine Gruppen von drei, vier Mädchen zu stoßen – Mädchen, die es noch vor wenigen Wochen geflissentlich vermieden hatten, beim Abendessen neben Amanda Orloff zu sitzen –, die eng beieinander auf dem Steinrand eines Brunnens im Irrgarten hockten, zitternd und schluchzend. Es gab zwei weitere Schlägereien unter den Jungen. Sobald er sicher war, dass die Fundamente geschützt waren, nahm Professor March ein Sabbatical, und die, die angeblich darüber Bescheid wussten – zum Beispiel Eliot – behaupteten, die Chancen auf seine Rückkehr stünden gleich null.
    Manchmal wünschte auch Quentin, er könne einfach weglaufen. Er dachte, er würde für den kleinen Scherz geächtet werden, den er March mit dem Podium gespielt hatte, aber seltsamerweise verlor niemand auch nur ein Wort darüber. Fast wünschte er, sie würden es. Er hatte keine Ahnung, ob er das perfekte Verbrechen verübt hatte oder eine so öffentliche und unsägliche Untat, dass es niemand wagte, ihn unumwunden darauf anzusprechen. Er konnte nicht einmal richtig um Amanda trauern, weil er das Gefühl hatte, sie umgebracht zu haben. Er konnte aber auch für den Mord an ihr keine Buße tun, weil er ihn niemandem beichten konnte, nicht einmal Alice. Er hätte nicht gewusst, wie er es anstellen sollte. Stattdessen verbarg er den kleinen Splitter der Scham und Schäbigkeit in seinem Inneren, wo er sich einnisten und entzünden konnte.
    Genau diese Art von Katastrophe hatte Quentin geglaubt, an dem Tag hinter sich zu lassen, als er den Garten in Brooklyn durchquerte. Solche schlimmen Dinge passierten nicht in Fillory. Zwar gab es Konflikte und sogar Gewalt, aber stets mit einem heroischen und noblen Beigeschmack. Jede gute und wichtige Figur, die im Laufe der Handlung hatte sterben müssen, feierte am Ende des Buches ihre

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