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Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman

Titel: Film Riss: der etwas andere Frankfurter Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kolja Alexander Bonke
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kalt. Von der Schweizer Straße geht’s auf die Untermainbrücke, wo ich in die Skyline der Geldhäuser eintauche. Der Wind ist heftig und der Main steht niedrig — es hat seit Wochen nicht mehr geregnet. Passiere riesige Baustellen im Bankenviertel, dann den Willy-Brandt-Platz. Am Eurotower samt Euro-Zeichen und dem von Obdachlosen und Rumänen in Beschlag genommenen Lager von
Occupy Frankfurt
vorbei und ab ins Nuttenviertel. Nach der dritten dummen Anmache rechts und schon stehe ich nur noch zehn Meter von meinem Ziel entfernt.
     
    ♫
„Fast as a shark he’ll cut out of the dark
    He’s a killer he’ll rip out your heart
    On a one way track and you’re not coming back
    ‘Cause the killer’s on the attack“
    (Accept — Fast As A Shark)
     
    Kalt und konzentriert scanne ich die Umgebung, ich habe alles im Blick. Dunkel ist es hier, trotzdem entgeht mir nichts — die blutige Spritze auf dem Boden, das Pennerlager in der Ecke und die streitenden Italiener im dritten Stock gegenüber am Fenster. Zwei Blocks entfernt übergibt sich ein betrunkener Student bevor er stolz seine Straßenpizza mit dem Handy fotografiert und danach wahrscheinlich auf
Facebook
postet.
     
    Wie bei meinem letzten Besuch steht die Tür der Kloake offen — von der Straße aus kann ich bequem sehen, wer da ist. Halil, seine rechte Hand und drei weitere obere Gangmitglieder, wie ich sie von
Facebook
und dem Überfall auf mich in Erinnerung habe. Sonst niemand. Zwei spielen Billard, drei lümmeln an der Bar herum.
     
    Vielleicht der perfekte Moment …
     
    Ich jogge ums Haus herum, packe meine beiden Werkzeuge aus und schmeiße die Tennisschlägerhülle weg. In der Herrentoilette scheint es ruhig zu sein. Das Klofenster hat dem Brecheisen nichts entgegenzusetzen, es klappt fast lautlos aus der Wand. Sekunden später stehe ich in einer derart stinkenden, verdreckten Kabine, dass ich mir schon wieder vorkomme wie in
Desperado
. Im Film ist das abschreckende Klo Tarnung eines geheimen Eingangs, hier wohl einfach nur hässliche Realität.
     
    Die Axt fest in der rechten Hand, stecke ich das Brecheisen mit der linken in meinen Gürtel. Die Klaue des Eisens hängt dort sicher.
     
    Trotz flackernder Neonröhre an der Decke ist es dunkel hier drin. Auch der Boden ist fast schwarz. Kein Wunder, dass die Putzfrau hier so schlechte Arbeit abliefert.
     
    Trotz Handschuhen ekelt mich der Toilettendeckel so an, dass ich mir die Stelle lang und gut überlege, an der ich ihn herunterklappe. Danach klettere ich drauf und gehe in die Hocke. Wenn man von außen meine Schuhe sehen könnte, wäre das eher ungünstig.
     
    Ich versuche, möglichst ruhig zu werden und lenke alle Konzentration auf meinen Herzschlag. Ich will ihn verlangsamen, so wie
Wesley Gibson
in
Wanted
mit Angelina Jolie. Leider lässt mich das Adrenalin zittern wie einen russischen Alkoholiker vor dem ersten Wodka des Tages.
     
    Aus dem Inneren der Kneipe dringt leise Musik.
     
    ♫
„How did you get here?
    Nobody's supposed to be here“
    (Deborah Cox — Nobody's Supposed To Be Here)
     
    Das Lied habe ich doch neulich erst irgendwo gehört, kann mich aber nicht erinnern wo das war. Déjà-vu-Erlebnisse verwirren mich …
     
    Krachend fliegt die Tür auf, der Türgriff schlägt ein Stück Fliese aus der Wand und ich zucke heftig zusammen. Jetzt ist mein Puls wirklich nicht mehr zu beruhigen. Jemand betritt den Raum, die Tür fällt zu.
     
    Schwere Schritte sind zu hören. In Höhe des Waschbeckens bleibt der Mann stehen. Was macht er, sich im Spiegel bewundern? Sekundenlang herrscht Ruhe. Dann bewegt er sich wieder — in Richtung der Kabinen.
     
    Ich frage mich ernsthaft, ob er meinen Herzschlag hören kann. Vielleicht hätte ich doch trinken sollen …
     
    Er stößt die Tür der ersten Kabine auf.
     
    Die wichtigste Frage wird dann schnell beantwortet: Nein, er hat nicht vor, sich in dieser Kabine zu erleichtern. Leider nicht. Nach der ersten stößt er nämlich die zweite Kabinentür auf. Spätestens jetzt ist alles klar — er sucht etwas. Vielleicht eine saubere Klobrille oder einen Pümpel. Oder mich. Ob er paranoid ist, etwas gehört hat oder einfach nur über unglaublich guten Instinkt verfügt — ich hoffe es nie zu erfahren.
     
    Die Zeit wird knapp: Es gibt vier Kabinen und in der letzten sitze ich.
     
    Wenn er die dritte Tür aufschlägt, muss ich hier raus. Sonst ist es zu spät — vor allem wenn er bewaffnet sein sollte.
     
    Alle Muskeln sind angespannt,

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