Filmwissen
Es ist eine Geschichte aus einer Zeit, «als der Mensch noch eins war mit der Natur und dem Übernatürlichen» (Boorman) . Weil Artus (Nigel Terry) der einzige ist, der das magische Schwert aus dem Felsen ziehen kann, wird er, der Weissagung gemäß, König von England. Mit dem Schwert, das ihn unbesiegbar macht, und mit der Hilfe seines Mentors, des Magiers Merlin (Nicol Williamson), unterwirft er alle Feinde und ruft die «Tafelrunde» ins Leben, an der «weder gelogen werden noch ein Gedanke unausgesprochen bleiben soll». Die Tafelrunde, die nach Merlins Willen die Kontinuität der Zeit, der alten Götter, garantieren soll (während er doch ahnt, wie die neue Zeit, das Kommen des Christentums, die Welt verändern wird), bringt eine kurze Spanne des Friedens und des Glücks, aber bald verwandelt sich Camelot in ein goldenes Gefängnis. Die Hexe Morgana (Helen Mirren), Artus’ Halbschwester, die ihn durch Täuschung zum Vater ihres Sohnes Mordred gemacht hat, entzweit die Ritter untereinander, und der Treuebruch der Königin Guenevere (Cherie Lunghi) besiegelt den Untergang des goldenen Zeitalters. Das Reich zerfällt, Artus versinkt in Schwermut. Die Suche nach dem Heiligen Gral soll die Ritter aus der Apathie wecken, doch sie werden einer nach dem anderen von Morgana und Mordred (Robert Addie) in eine Falle gelockt und getötet. Nur der reine Tor, Parzifal (Paul Geoffrey), überlebt, findet den Gral und erweckt damit noch einmal den König, der zum Kampf gegen Mordred auszieht, «zu verteidigen, was war und wieder sein könnte – diesen Traum». Ein furchtbares Schlachten hebt an, und am Schluss durchbohren sich Artus und Mordred gegenseitig. Nur Parzival überlebt auf dem von Leichen, Blut und Rüstungspartikeln übersäten Kampffeld.
Boorman verknüpft in einigen durchaus kühnen Zeitsprüngen die Elemente der Legende mit der Reflexion des Mythos als einer Verzweiflungsphantasie gegen die Entgeisterung der Welt. Das heilende Objekt, gleichsam das Urbild aller McGuffins, ist zugleich die Hoffnung der alten und das Inbild der neuen, christlichen Zeit. Seine einfache Botschaft: der König und das Land sind eins, die wir in den Bildern schon erkannt haben (wenn Artus leidet, versinkt das Land im Winter, wenn er Hoffnung schöpft, blühen die Pflanzen auf den Wiesen auf), ist selbst ein Paradoxon, das keine Rettung bringt. Merlin ist ein anderer kleiner Gott, seine Beziehung zu Artus fast wie die Umkehr der von Mephisto zu Faust; er erscheint als ein erfolgloser, gleichwohl ironischer Schöpfer/Magier, der die Kraft einer größeren Macht anerkennen muss: der Zeit.
Boorman geht wohl als erster Regisseur eines Ritterfilms auf die psychosexuellen Grundlagen der Sage ein: Arthur ist das Kind eines erschlichenen Beischlafs und die Frucht der Übereignung an Merlin, der ihn auf seine große Aufgabe als König vorbereitet, dabei aber schon empfindlich in den «natürlichen» Ablauf der Geschichte und in den magischen Familienroman eingreift. Arthur verdient sich die Königswürde, indem er das magische Schwert Excalibur aus dem Felsen zieht, was keiner außer dem rechtmäßigen Herrscher vermag – und was zugleich einer mythischen Umkehrung des gewaltsamen Vorgangs seiner Zeugung gleichkommt. Das Schwert, das Symbol der phallischen Macht, ist in Boormans Film überdies gebunden an eine weibliche Kraft, die der «Jungfrau vom See» zugeschrieben ist. Als Arthur auf dem Eroberungszug ist, greift sein Vetter Mordred nach der Macht. Im Kampf kann er ihn, den falschen Nachfolger, bezwingen, wird aber selber tödlich verletzt und kommt auf die Nebelinsel Avalon, von wo er einst zurückkommen wird.
Die Fee Morgana ist in den ursprünglichen Versionen der Legende die Retterin des Königs, aber in den späteren christlichen Revisionen des Stoffes wird sie, die Vertreterin der Naturreligion, als das Böse schlechthin angesehen. In Boormans Film ist Mordred gar der Spross von Arthurs unfreiwilliger Blutschande mit seiner Halbschwester Morgaine. Alle diese Gestalten sind doppelgesichtig, zugleich keltisch-barbarisch und christlich, Verkörperungen nicht nur der christlichen Bearbeitung alter Stoffe, sondern auch Verkörperungen einer Zeitenwende. Eine christliche Wendung des Stoffes etwa besagt, dass Merlin eigentlich der Sohn Satans ist, der die Suche nach dem heiligen Gral behindern soll, aber als bekehrter Mann schließlich für das Gute und die Christianisierung Britanniens eintritt. In Boormans Film verlagern sich alle
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