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Filmwissen

Filmwissen

Titel: Filmwissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Seeßlen
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dazu geführt, dass die überlebenden Frauen einen erbarmungslosen Krieg gegen die Männer führen, Göttin weiß warum.

Camelot revisited
    In den achtziger Jahren gab es für kurze Zeit so etwas wie einen Spät-Ritterfilm, der in die Spätzeit des Mittelalters führte und die großen Legenden heftig demontierte. Dieses Mittelalter war schmutzig, finster und blutgetränkt; edle Ritter waren so selten wie tugendsame Burgfräulein. Paul Verhoevens Flesh and Blood ( Flesh and Blood ; 1985) ist die Geschichte des Landsknechtes und Söldners Martin (Rutger Hauer), der unter dem Feldherrn Arnolfini dient, der ein Söldnerheer gegen die Stadt seiner Väter führt, um sie zurückzuerobern. Martin schwört blutige Rache, nachdem Arnolfini die Söldner um die versprochenen Plünderungen brachte. Er entführt Arnolfinis zukünftige Schwiegertochter Agnes (Jennifer Jason Leigh), die sich in Martin verliebt und mit ihm und seinen Söldnern auf seinen Plünderungszügen übers Land zieht, während sie von Arnolfinis Truppen und seinem Sohn Steven (Tom Burlinson) verfolgt werden. Die Legende versinkt in Blut und Schmutz:
    «Im Mittelalter ging es nun einmal nicht so zu wie im Märchen. Es war eine grausame, zügellose, gefährliche, schlimme Zeit für die damals lebenden Menschen. Dass überhaupt jemand diese Epoche überlebte, ist fast ein Wunder. Genau darum geht es in diesem Film, um drei Menschen, die überleben, und zwar jeder auf seine eigene ungewöhnliche Art und Weise.» (Verhoeven)
    Ladyhawke ( Der Tag des Falken ; 1984, Regie: Richard Donner), ein eher opulenter Film, verfolgt eine andere Art von Demystifizierung, indem er das Märchenhafte in seiner Gestalt belässt, aber an den Träumen und Ängsten seiner Figuren bricht. Rutger Hauer ist der Kommandant der bischöflichen Leibgarde, der die Geliebte (Michelle Pfeifer) des Bischofs (John Wood) entführt. Beide fliehen unter dem Bann des Bischofs; am Tag nimmt sie die Gestalt eines Falken an, um den Häschern zu entkommen, und bei Nacht er die Gestalt eines Wolfes. In dem kleinen Taschendieb Philippe (Matthew Broderick) finden sie einen Verbündeten, der ihnen hilft, den Bann zu brechen.
    Die deutsch-jugoslawische Co-Produktion Banovic Strahinja/Der Falke (1983, Regie: Vatroslav Mimica) erzählt vom türkischen Angriff auf das christliche Serbien im 14. Jahrhundert. Die Frau eines abwesenden Burgherren (Franco Nero) wird entführt und der macht sich an die Verfolgung und Rache, nachdem er von seinem Schwiegervater (Gert Fröbe) keine Unterstützung erhalten hat. Der grausame türkische Anführer, so entwickelt der gewiss nicht ideologiefreie Film, scheitert schließlich an dem Umstand, dass er die begehrte Frau des Feindes nicht für sich gewinnen kann. Auch Der Falke führt in ein schmutziges Mittelalter, Ruinen, Brandwunden in der Landschaft, abgerissene Menschen, die in ihrer archaischen Brutalität überkommenen Gesetzen folgen und entsetzliche Quälereien ersinnen, bestimmen den Weg des Helden, der sich seine Truppe nur aus dem Gefängnis hat rekrutieren können.
    Ein, zwei Jahrhunderte später spielt I Picari ( Vagabunden wie wir ; 1988, Regie: Mario Monicelli), eine Film-Version der berühmten Picaro-Erzählung von Lazarillo. Im Mittelpunkt steht der kleine Dieb (Giancarlo Giannini), der lernt, sich durchs Leben zu schlagen, den Herren zu dienen und ihnen bei Gelegenheit ein Bein zu stellen, und der in Lazarillo (Enrico Montesano) den geeigneten Kumpanen findet. Sie gründen einen mobilen Bordellbetrieb, hecken immer neue Betrügereien aus und entkommen immer wieder dem Henker. Es ist eine moralische Fabel; Lazarillo hat es einmal mit ehrlicher Arbeit versucht, «aber nur wenn ich Böses tat, stahl und betrog, hatte ich Glück». Dem Licht der Aufklärung ist Lazarillos Welt so fern wie die Helden des «Spät-Ritterfilms».
    Tief in die Mythologie des Rittertums dagegen, in ein Reich zwischen Traum und Wirklichkeit an der Schwelle zur modernen Menschheit, führt ein Werk, das dem Ritterfilm auch in seiner prächtigen Form zu einer kurzen Renaissance verhalf: John Boormans Excalibur (1981) erzählt vom Verdämmern einer Zeit, von der verzweifelten Revolte der Männer um König Artur gegen die neue, rationalistisch-christliche Weltsicht, von der tragischen Suche nach dem Heiligen Gral, von der Untreue Königin Gueneveres und des Ritters Lanzelot, und schließlich vom allmählichen Verschwinden des Magiers Merlin im Reich der Legenden und der dunklen Erinnerungen.

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