Filmwissen
Skouras.» (rororo Filmlexikon)
Aber nicht nur als Symptom für die Krise des epic , des spektakulären, verschwenderischen Erfolgsfilms schlechthin, ist Mankiewicz’ Cleopatra bemerkenswert, sondern auch wegen seiner ikonographischen und motivischen Kommentare zur historischen Mythologie. Zunächst herrscht die – von Hollywood nicht anders erwartete – Verwandlung von Geschichte in ein Melodram vor, an dessen Nahtstellen Abenteuer, Aktion und Ornament aufscheinen. Die Figuren selbst wirken, als wären sie nicht nur vom Regisseur (über)inszeniert, sondern als würden sie ihre eigene Erfüllung darin finden, sich zu inszenieren; sie begegnen einander nicht, sie treten voreinander auf. Das mag legitim sein für die Darstellung eines «transkulturellen» Konflikts (und nicht viel anders lässt etwa Miklos Jancso seine Figuren agieren), aber dem stehen die Hollywood-Psychologie, der Hollywood-Naturalismus im Wege. Aus dem narzisstischen Spiel im Dreieck von Caesar, Cleopatra, Mark Anton muss natürlich die materielle Komponente der Intrigen und Machtkämpfe ausgeblendet sein. Und schließlich erscheint Mark Anton nicht als Vertreter einer Fraktion in einem lang anhaltenden Machtkampf, sondern als Renegat aus Liebe, als eine romantische Version des rauen Individualisten, der am Ende allein gegen eine Armee antritt. Eigentlich also geht es nicht um Geschichte, um Macht, sondern um Träume, um Schönheit. Aber eine «delirierende» Phantasie, die dem angemessen wäre, wird nicht entwickelt; der Film erreicht sie wohl gerade wegen seines Aufwandes nicht. Er zeigt uns zuviel, als dass sich noch die Qualität des Traums entfalten könnte, und zu wenig, um von den Träumen der Menschen etwas zu verstehen. Etwa der Traum Cleopatras von einer Welt, die orientalisch würde (vielleicht auch paradoxer- und komplizierterweise: weiblicher), der allem Drama hier zugrunde liegt,wird uns wenig deutlich; er scheint selbst den Filmautoren zu gewagt, als dass sie sich auch nur für Augenblicke auf ihn einlassen und uns daran teilhaben lassen könnten. So ist diese Cleopatra, gegenteiligen Absichtserklärungen zum Trotz, eben doch wieder jene femme fatale , die sie im Verlauf der Geschichte immer wieder abgegeben hat. Dem Film fehlt einfach das Verständnis ihrer Motive, um so mehr delektiert er sich an der Oberfläche ihrer faszinierenden Erscheinung.
Cleopatra bedeutet wohl das (vorläufige) Ende des überbudgetierten spectacular , noch nicht ganz aber das Ende des Antikfilms in Hollywood. Etwa zur selben und kurze Zeit später entstanden noch ein paar Filme des Genres, bevor es für eine Zeit versiegte. The 300 Spartans ( Der Löwe von Sparta ; 1960, Regie: Rudolph Maté) gab sich wesentlich bescheidener, obwohl er als zentrales Motiv nichts Geringeres als die Schlacht der Griechen gegen die Perser bei Thermopylae aufzuweisen hatte. Dagegen versuchte es Anthony Mann in The Fall of the Roman Empire ( Der Untergang des römischen Reiches ; 1963) noch einmal mit erklecklichem, freilich ökonomisch eingesetztem Aufwand. Der Niedergang des römischen Weltreiches ist hier in die Einzelschicksale gespiegelt (also umgekehrt wie in Cleopatra , wo Geschichte als Projektionsfläche für eine Liebesgeschichte dient). Mann bemüht sich dabei um ein Verständnis für Zusammenhänge; er lässt seine Figuren argumentieren (vielleicht sogar ein wenig zuviel) und ihre Handlungsweisen erklären:
«Die römische Einheit zerbricht, als die Gegner der Entwicklungshilfe an die Macht kommen. Marcus Aurelius wollte die Barbaren friedvoll in wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von Rom bringen. Sein Sohn Commodus bevorzugt jedoch Militär- und Terrormaßnahmen. Das ist ein Fehler, wie der Kommentar erläutert, denn die Einheit des Reiches wird nicht durch Gewalt nach außen gesichert, sondern durch die innere Überzeugung, irgendeine Mission zu erfüllen.
Das geht deutlich an die Adresse des Westens. Insofern konstruieren die Filmhersteller eine Parallele und zogen daraus respektable politische Konsequenzen. Bemerkenswert: explizites politisches Engagement in einem Breitwandspektakel. Andererseits: wären die Ratschläge an die USA nicht ausdrücklich erteilt, wären sie der Filmhandlung nicht zu entnehmen. Die Exponenten der Vernunft handeln im Film aus gänzlich privaten Motiven: Lucilla-Loren aus Bruderhass Livius-Boyd, weil Politik ihm offenbar ein schmutziges Geschäft ist. Auf diese Weise wirkt die Moral von der Geschicht’ aufgesetzt; sie
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