Filmwissen
» (Indy’s Filmreviews)
Eine Produktionsklasse weiter unten entstanden Filme wie Claang– The Origin (2005, Regie: Stefan Milla), der mit einem minimalen Budget in Italien, England und Schweden gedreht wurde und dabei immerhin einen gewissen Location-Charme bei dem Versuch entwickelt, archaische Körperlichkeit zu rekonstruieren. Im Jahr 1066 kommt es zur gewaltigen Schlacht um die Herrschaft der britischen Insel, die, entsprechend dem Budget des Films, weniger gewaltig als hektisch erscheint: Immer wieder versucht der Film durch den Einsatz von Handkamera und Stakkatoschnitt ein «dokumentarisches» Gefühl zu erzeugen (zwischen überlangen Dialog-Szenen), was, in Verbund mit einem, freundlich gesprochen, semiprofessionellen Schauspielstil eine Art Blair Witch -im-Mittelalter-Empfinden erzeugt. William, der Duke of Normandy (Maurizio Corigliano) trifft am Vorabend des Kampfes auf den geheimnisvollen Vidr, der ihn zu einem Spiel herausfordert, Claang, offenbar eine Abart von Schach, und während des Spiels erzählt Vidr (Maurizio Bazzano) die Legende von Tyr (Francesco Chinchella), der, wie nun William in eine Schlacht zog, und so wie seine Strategie das Spiel, so könnte nun das Spiel Williams Strategie beeinflussen.
Die Frage, ob es sich bei den Menschen des Mittelalters um barbarische Gewalttäter, magische Helden (vor der zivilisatorischen Gewalt des naturfernen Christentums) oder aber um durchaus modern und strategisch planende Machtspieler handelte, die auch um die Gültigkeit von Werten und Gesetzen rangen, spiegelte sich auch in der internationalen Filmproduktion. Während man im Westen eher apokalyptische Szenarien bevorzugte, kehrte man, wie auch im chinesischen Film, in Russland zu «nationalen Mythen» zurück. Als opulentes, wenn auch etwas zähes Historiengemälde inszenierte Andrei Borissov Tayna Chingis Khaana ( Dschingis Khan – Sturm über Asien; 2009), die Geschichte des gewaltigen Heerführers des 13. Jahrhunderts, der mehrere Völker um sich sammelte und weite Teile Zentralasiens, Nordchinas und Europas eroberte. Von seiner harten Kindheit an verfolgt der Film den Aufstieg eines Kriegsfürsten par excellence, der auch vor Kriegen gegen die eigenen Brüder nicht zurück schreckt; immer wieder durchkreuzen sich Familiengeschichte, Ehrencode und Machtpolitik. Aoki Ôkami: chi hate umi tsukiru made ( Dschingis Khan – Der Blaue Wolf ; 2007, Regie: Shinichirô Sawai) aus Japan erzählt aus den Jugendtagen von Temujin, der später Dschingis Khan werden soll, und der als Häuptlingssohn aufwächst, auch wenn er nicht «blutreiner Mongole» ist. Nach dem Tod des Vaters wird er verstoßen. Dann aber wird aus dem jungen Krieger ein Führer und Einiger der verfeindeten Stämme und bringt schließlich ein gewaltiges Heer zustande mit dem er sein Land unterwirft und auf Eroberungen zieht. In der Gegenüberstellung beider Filme zeigt sich, wie unterschiedlich selbst die beschworenen Werte und Konflikte im archaischen «nation building» gesehen werden können. Während sich der russische Dschingis Khan auf Volk, Land und Politik beruft, ist der japanische von der Idee und von den Zeichen bestimmt.
Der osteuropäische Ritter-Held schließlich hat es am ehesten mit der «Identität» zu tun. Wiedzmin ( Geralt von Riva – Der Hexer ; 2001, Regie: Marek Brodzki) ist eine polnische Fantasy-Variante um den edlen Ritter des Titels, der auf einer finsteren Burg in Schwertkampf und Magie ausgebildet und nun durch das von Seuchen und Ungeheuern bedrohte Land zieht, gegen Raubritter ebenso wie gegen Vampire. Dieser Held ist ein ansehnliches Beispiel für eine multimediale Heldenmaschine: Zunächst war «Geralt z Rivii» (der im Deutschen den Namen Geralt von Riva erhielt) alias «Gwynnbleid» (in der «alten Sprache» bedeutet dies «der weiße Wolf»), der Protagonist einer Reihe von Romanen und Erzählungen des Fantasy-Autors Andrzej Sapkwoski, ein Findelkind auf der Suche nach seiner Identität, ein Hexer und Kämpfer, zwischen den Fronten von Menschen und «Anderlingen». Aus den Romanen wurde die Spiel-Story eines Computerspiels entwickelt (The Witcher) , und dem wiederum folgte zunächst der Kinofilm und dann die TV-Serie unter dem Titel The Hexer ; in beiden spielte Michał Żebrowski den blondmänigen Helden. Und beide befriedigten die Bedürfnisse eines an «Conan» und Mittelalter-Reenactments geschulten Publikums.
Das Fantasy-Mittelalter, das «historische» Mittelalter und das
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