Filmwissen
archaisch-apokalyptische Mittelalter entwickelten sich also als Gedankenspiel-Orte des Kinos immer weiter auseinander. Um einen Erfolg wie Der Name der Rose zu wiederholen, fehlte dem Genre zwar der Konsens findende Bestseller; die materialistisch-historischen Filme wie Robin Hood , die patriotisch-legendären wie Dschingis Khan oder die mystisch-magischen Filme sprachen sehr unterschiedliche Phantasien und verschiedene Zuschauer an.
Zur mehr oder weniger realistischen Sektion des Mittelalter-Films gehört auch Henker ( Shadow of the Sword – Der Henker ; 2005, Regie: Simon Aeby), der in einem Dorf im Tirol des 16. Jahrhunderts spielt. Dort wachsen die beiden Freunde Martin (Nikolaj Coster-Waldau) und Georg (Peter McDonald) als Findelkinder auf; sie stehen zueinander wie Brüder in einer feindlichen und gefährlichen Welt. Martin schlägt sich als Söldner durchs Leben und kennt kaum etwas anderes als das Soldatenleben, bis er die junge Anna (Anastasia Griffith) kennenlernt und sich in sie verliebt. Obwohl er weiß, dass er durch die Verbindung mit der Tochter des Henkers selber in diesen «unreinen» Beruf eintreten muss, heiratet er sie. Und er muss das Handwerk des Tötens von Menschen lernen, denen der Klerus Ketzerei und Hexerei vorwirft. Georg, Prior in einem Kloster, hat sich unterdessen zu einem fanatischen Vertreter der Inquisition entwickelt, während Martin zunehmend Zweifel am blutigen Terror plagen. Als er sich gegen die Inquisition wendet, ist die einstige Freundschaft der beiden endgültig in unversöhnliche Feindschaft umgeschlagen. Und es kann nicht ausbleiben, dass sie sich vor einem Tribunal wiederfinden, Georg als Richter, Martin als Angeklagter. Zwar weist der Text am Beginn des Films auf den bis heute andauernden religiösen Fanatismus und seine furchtbaren Folgen hin, doch geht es mehr noch um den inneren Konflikt und eine Dreiecksgeschichte, vor einem zunächst sehr detailfreudig entwickelten mittelalterlichen Setting.
Nicht nur in Henker zeigt sich, dass eine Erzählabsicht des neuen Mittelalterfilms neben der Entzauberung (oder auch: der Reflexion der unabwendbaren Entzauberung in der Geschichte selbst) sondern vorrangig auch die Verhandlung und Verwandlung der Frauenrolle war. Uli Edel wagte sich schließlich für das Fernsehen an den Fantasy-Mittelalter-Klassiker The Mists of Avalon ( Die Nebel von Avalon ; 2000), eine Phantasie über die Zeit der Auseinandersetzung «heidnischer» und christlicher Kräfte in Britannien der Zeit von König Artus, die Marion Zimmer Bradley als feministische Studie in der Fantasy und Relektüre der Artus-Saga gestaltet hatte. Viviane (Anjelica Huston) versucht, zusammen mit dem Magier Merlin, als Hohepriesterin von Avalon die alte Religion zu bewahren und dazu will sie einen mächtigen König im Kampf gegen die Sachsen einsetzen. So besteigt Arthur, der Sohn von Vivianes Schwester Igraine und dem König Uther den Thron. Die Erbfolge will sie durch ein Kind von Arthur mit seiner Halbschwester Morgaine (Julianna Margulies) sichern. Morgaine wendet sich indes gegen sie und lässt nun ihren Sohn Mordred von Morgause (Joan Allen) zum erbitterten Feind Avalons erziehen. Selbst in der Form eines dreistündigen TV-Films musste vieles von der mehr als 1000-seitigen feministischen Nacherzählung der Artus-Saga gekürzt werden, den «Zauber» der Vorlage erreichte man nur selten. Doch war zweifellos achtbar ein Aspekt des Genres behandelt, der bislang nur am Rande sichtbar gewesen war, dass der Zeitenwandel im frühen Mittelalter auch ein Geschlechterkampf, der Wandel von einer matriarchalen in eine patriarchale Gesellschaft, gewesen sein konnte.
Mit einem veritablen Bestseller, dem Roman von Donna Woolfolk Cross als Aufmerksamkeitsgarantie, kam 2009 auch Sönke Wortmanns Die Päpstin heraus, der ins neunte Jahrhundert n. Chr. führt. Johanna (Johanna Wokalek) ist eine der wenigen jungen Frauen, die sich gegen den vorgezeichneten Weg der Frau in der Gesellschaft dieser Zeit auflehnen. In ärmlichen Verhältnissen in Ingelheim am Rhein aufgewachsen und von den Eltern drangsaliert – ein christlicher Eiferer der Vater, eine «Heidin» die Mutter – lernt sie heimlich Lesen und Schreiben und fasziniert in der Domschule die Kleriker durch ihre Klugheit und Gewandtheit. Nach einer kurzen Liebesgeschichte mit dem Adeligen Gerold (David Wenham), der seiner Verpflichtung nachgeht und in den Krieg zieht, woraufhin seine Gattin versucht, die Rivalin durch eine
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