Filmwissen
im Kino jedenfalls, möglicherweise aber auch im richtigen Leben, dass es beides ist, eine menschliche Grenzerfahrung und ein kindliches Spiel, etwas sehr Schweres und etwas sehr Leichtes. Es ist die Leichtigkeit, die dem Abenteuer abhanden gekommen ist und derentwegen man mit Captain Sparrow in Phantasiereiche oder mit King Kong in die filmische Vergangenheit reisen muss.
Den einen oder anderen anspruchslosen Scherz mit dem Sub-Genre treiben die deutsch-südafrikanischen Filme der African Race -Serie. In African Race – Die verrückte Jagd nach dem Marakunda (2007, Regie: Axel Sand), vierter und letzter Teil der Serie, muss zum Beispiel ein unbedarfter Archivar des Kölner Doms mit dem sprechenden Namen Sebastian Hellmann (Jan Sosniok) nach Afrika reisen, um einen äußerst großen und wertvollen Diamanten zu finden, der einst das Fundament des sakralen Bauwerkes sicherte. Dabei hat er natürlich wieder Konkurrenz durch Gangster und findet einige Verbündete bei seinem Unternehmen, darunter den lustig-dicken Sozialarbeiter Penske (Dirk Bach). Einigermaßen aufwändig dagegen erzählt schließlich Visus – Expedition Arche Noah (2011, Regie: Tobi Baumann) von den Abenteuern des «Kunstdetektivs» Robert (Stephan Luca), der zusammen mit Anahit (Julia Molkhou) das Geheimnis jenes Bootes zu lösen aufbricht, mit dem auf Geheiß Gottes die Tierwelt vor der Sintflut gerettet wurde. Auf der Suche nach dem verschollenen Freund des Onkels, einem Theologen, der in Rom auf der Spur antiker Schriften war, trifft er auf die Assistentin und macht sich mit ihr auf die Suche nach dem «Auge Gottes». Doch es gibt zwei davon und die beiden würden, kämen sie zusammen, das Ende der Welt bedeuten. Eine weltweite Verschwörung hat natürlich genau dies im Sinn.
Eben darum geht es: Das Abenteuer dieser Zeit ist kein Beginnen und kein Entdecken mehr. Es ist ein Vertuschen und Beenden. Es steht im Wettlauf mit der Apokalypse. Es gibt nichts zu entdecken, sondern nur noch zu bewahren. In der Realität der Gegenwart ist es als unschuldiges Reisen in die Gefahr nicht mehr zu haben. Und in den Narrativen frisst es sich selber auf.
Finstere Zeiten: Mittelalter-Filme zwischen Abenteuer und Apokalypse
Zweifellos war zu Beginn des neuen Jahrtausends das Mittelalter in der europäischen Popkultur ein begehrter Bezugsrahmen: Mittelalterliche Reenactement- und Turnierspiele, mittelalterliche Musik und heroische Literatur aus einem Fake-Mittelalter sprachen gerade ein jüngeres Publikum an, das sich aus der überkomplizierten Gegenwart in eine heroisch-barbarische Vergangenheit träumte. Diesem «sportiven» Charakter des Phantasie-Raums entsprachen Filme wie A Knight’s Tale ( Ritter aus Leidenschaft ; 2001, Regie: Brian Helgeland), wo Heath Ledger den Sohn eines Dachdeckers spielt, der es zum gefeierten Star bei den Lanzen-Turnieren der Adeligen bringt. Hier schien noch mehr als bei anderen Beispielen im Wesentlichen eher «moderne» Verhaltensweisen in ein Pop-Mittelalter gespiegelt. Zugleich verkündeten aber auch seriöse Geschichtswissenschaftler den Rücksturz der Postmoderne in ein neues Mittelalter der zerbrechenden Reiche, der fundamentalistisch-doktrinären Religionen und des Kampfes aller gegen alle in einer Welt, die von neuen Katastrophen heimgesucht würde wie das Mittelalter einst von Pest und Cholera. Das Kino indes, das seit der Verfilmung von Umberto Ecos Der Name der Rose einen anderen Blick auf diese Zeit entwickelt hatte, ein Gespür für die Auseinandersetzungen zwischen heidnischen und christlichen Kräften einerseits (wie in John Boormans Excalibur ), zwischen präaufklärerischer Vernunft und christlichem Fundamentalismus andererseits, suchte einen Weg zwischen romantisch-heroischem Sehnsuchtsort und apokalyptischer Analogie. Was das Kino am Mittelalter vor allem faszinierend fand, war die Verbindung von Schmutz und Blut, von Grausamkeit und unbändigem Lebenswillen, der barbarische Vitalismus einer Epoche, in der sich jeder Ordnungs- und Gestaltungswille in einem chaotisch-wilden Umfeld bewähren musste: Eine Situation, die unentschlossen scheint zwischen Beginn und Untergang. Was faszinieren musste, war also, mit anderen Worten, die ungebrochene Freiheit und Bedeutung des Einzelnen, die Wiedergewinnung des Handelns (gegen alle Widerstände, Dogmen und Gewalt) als Prinzip der Erzählung. Natürlich war das nicht mehr das Mittelalter von Prince Valiant, kein Schönwetter-Mittelalter mit exakten Frisuren und
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