Filmwissen
gelingt ihm zusammen mit der schwangeren Menschenfrau Aki (Aruna Shields) die Flucht. Die Verbindung der beiden setzte sich über alle Grenzen hinweg. In vierjähriger Arbeit entstand ein Reenactement weitgehend ohne Computereffekte, dafür mit wirklichen Bisons und Wölfen und «dem ersten für das Kino dressierten Eisbären». Natürlich ist Ao ein Anlass, einen kritischen Blick auf die Menschen zu werfen, die ihre Welt so nachhaltig zerstört haben und «viel grausamer ist als die Bestie» sind, wie es der Protagonist erfahren hat.
Böses erfahren müssen auch Helden und Zuschauer in Mel Gibsons Apocalypto (2006), in dem er zur Kultur der vorkolumbianischen Maya zurückkehrt – im Film ist auch eine nur mehr oder weniger authentische Maya-Sprache zu hören. Das Geschehen ist ja auch archaisch genug, um es zu verstehen: Pranke-des-Jaguars (Rudy Youngblood) und seine schwangere Frau leben glücklich mit ihrem Sohn im Dschungel, als ein feindlicher Stamm die Idylle zerstört. Nachdem Pranke-des-Jaguars es gerade noch geschafft hat, seine Familie in einer Erdhöhle zu verbergen, wird er in die Stadt der Maya verschleppt, wo er den Göttern geopfert werden soll. Aber in letzter Sekunde gelingt die Flucht. Er kann zu seinem Dorf zurückkehren und Frau und Kinder retten.
Zweifellos bot der Stoff Mel Gibson nach seinem umstrittenen «Christus»-Film die Gelegenheit, seinen Obsessionen in scheinbar unverdächtigerem Ambiente zu huldigen. Doch auch hier erstickt das Abenteuer in Blut und einer alttestamentarischen Zivilisationskritik, die selbst wiederum von rassistischen Zügen nicht frei ist. Gibson gibt seinen Protagonisten zwar die Wildheit zurück, doch er tut es mit dem Blick des Eiferers und Predigers. Angst und Zorn überwuchern noch den Rest des Abenteuers; in dieser Welt gibt es nichts zu entdecken, nur vieles zu fürchten.
Es geht darum, dem Leben vor dem Verglühen noch einen Sinn durch das große Abenteuer zu geben. Und oft genug geht es darum, an alte, verschüttete, von der «Vernünftigkeit» der Gegenwart verdrängte, Geschichten wieder anzuknüpfen. Solche, wie sie Großvater «Gramps» (James Karen) dem kleinen Ray in One last Flight ( Zwei Himmelsstürmer heben ab ; 1999, Regie: Richard Stanley) erzählt, der im Krieg als Kampfpilot im Einsatz war. Als Ray (Miko Hughes) erfährt, dass seine Eltern Gramps in ein Altersheim bringen wollen, beschließt er ihm seinen letzten großen Wunsch zu erfüllen und ihn noch einmal mit einem alten Flugzeug abheben zu lassen.
Ein neues Reich von Pracht und Abenteuer: Historische Epen aus China, Japan und Korea
Das Genre, mit dem der chinesische Film nach der Vereinigung von Hongkong mit dem Festland international reüssierte, war eine neue Form des historisch-phantastischen Kostümdramas mit den Martial Arts-Elementen, die das Kino der Traumfabrik aus Hongkong einst berühmt gemacht hatte. Der «Wuxia»-Film (zusammengesetzt aus den Zeichen für «Kampfkunst» oder «Krieg» – Wu, und Helden, Ritter oder Abenteurer – Xia), geht häufig auf klassische Vorlagen zurück; es existiert sowohl in der Literatur, in den Comics wie in den Filmen. Der «Wuxia»-Held unterscheidet sich vom aristokratischen und selbstbezogenen Helden etwa des Samurai-Films durch seine Volkstümlichkeit wie durch seine Durchdrungenheit von konfuzianischer Ethik. Das Phantastische spielt ebenso selbstverständlich in die Handlung wie sich Legende und Historie miteinander verbinden. Wuxia-Filme scheinen an der Oberfläche eher unpolitisches Spektakel- und Märchenkino, allenfalls erkennt man das neue Selbstbewusstsein der Nation – aber zweifellos auch ein Empfinden für die größte aller Gefahren für das «Riesenreich»: Immer wieder geht es um Spaltungen und Intrigen, um Helden, die hin und her gerissen sind zwischen verschiedenen Werten, um Kampfgefährten, die zu Feinden werden. Oft müssen die Helden eine Verschwörung oder Korruption im Inneren bekämpfen; der Xia ist ein Kämpfer, der sich stets für sein Land, nicht aber unbedingt für seine Regierung einsetzt. Daher bleibt seine Ausstrahlung ambivalent: Er eint die Nation, aber er bleibt unabhängig gegenüber der Herrschaft. Sein Ehrenkodex steht letzten Endes höher als die Pragmatik der Macht und er ist immer auf der Suche nach dem richtigen Leben. So konnte es schließlich auch nicht ausbleiben, dass das Leben von Kong Qui oder Konfuzius im Stile des Genres (und unter sorgfältiger Umgehung aller möglichen politischen
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