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Filmwissen

Filmwissen

Titel: Filmwissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Seeßlen
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zweimal: Die Nibelungen
    Fritz Langs bekannte «Nibelungen»-Filme waren keineswegs die ersten, die sich des «teutonischen» Sagenstoffes angenommen hatten. Der mediterrane Kostümfilm der Stummfilmzeit, der in antiken Sagenstoffen seine Erfüllung fand, konnte wohl kaum an den märchenhaften, phantastischen Elementen dieses Stoffes vorbeigehen. So hatte 1910 ein unbekannter italienischer Regisseur I Nibelunghi gedreht, 1912 war Sigfrido unter der Regie von Mario Caserini, einem der bekanntesten Inszenatoren von Kostümfilmen, darunter Gli ultimi giorni di Pompei (1913), gefolgt. Im Jahr 1913 schließlich erschien L’Epopea dei Nibelunghi nach einem Skript von Arrigo Frusta. Wenig mehr als Spuren in der Filmgeschichtsschreibung gehören zur Kenntnis über diese Arbeiten; immerhin sagt ihre Existenz etwas aus über die Nähe von Ritter- und Antikfilm als Vorläufer dessen, was später der Abenteuer- und dann der Fantasy-Film werden sollte.
    Aber sicher waren erst für Fritz Lang die Elemente einer nationalen Gründungsmythologie so wichtig wie die Abenteuer- und Fantasy-Elemente (der Drachenkampf und seine filmtechnische Gestaltung war offensichtlich ein Hauptanliegen der frühen «Nibelungen»-Filme). Die beiden Filme Langs (Teil 1: Siegfrieds Tod , Teil 2: Kriemhilds Rache 1922/1924) reflektieren den Legenden-Charakter ihres Materials:
    «Auch hier erhält man mit der Fiktion dargestellt, wie sie entsteht. Die gelangweilten Müßiggänger am Wormser Hof brauchen die Gesänge Volker von Alzeys vom Drachentöter und Zwergenbezwinger Siegfried als Kitzel. Auch Kriemhilds Liebe zu dem Waldmenschen im Fellschurz läuft über die Erzählung Volkers. Dann, als er leibhaftig am Hof auftaucht, inspiriert seine Gegenwart die blasierte Herrenrunde zum Ausflug nach Isenland, zur schnöden Verschwörung gegen die Amazonenkönigin.
    Aus dem Bubenstreich wird Ernst für das Opfer, dann, als Brunhild zurückschlägt, für das Männertrio Hagen-Gunther-Siegfried. Den tumben Täter trifft der Zorn der Betrogenen zuerst, an dem Nutznießer und dem Anstifter setzt Kriemhild die Rache des Geschlechts fort. Die deutschen Märchenwälder, Isenland hinter Meer und Feuer, der Odenwald und schließlich das Hunnenland sind die Stätten der Tat. Am Hof dagegen geschieht Reden und Gesang, darin sind alle Taten vorgezeichnet, hier werden die Zeichen gesetzt, die die Handlungen motivieren. Wenn Kriemhilds Fadenkreuz auf Siegfrieds Wams, das ihn zeichnet wie das ‹M› von der Hand des blinden Bettlers den Kindermörder, sich zusammenzieht vor der langsamen Überblendung auf den Lanzenwald, dem Hagen die Mordwaffe entnimmt, dann stickt sie die Spur, der Hagen folgen muss.
    Am Anfang des zweiten Teils verstummt Volkers Gesang. Wenn Kriemhild, unversöhnt, Worms verlässt, um Etzel für ihre Rache zu gewinnen, zerschlägt der Spielmann die Leier. Erst fürs Totenlied in der Etzelburg gewinnt er die Stimme wieder; Etzel geht es dann wie Dean Martin in Rio Bravo beim mexikanischen Todeslied: Ein Ende! schreit er, ein Ende! Auch die Hunnen haben Lieder, nur nicht so hehre, so Werbels Spottlied auf Etzel, der sich bei seiner Blondine verlegen hat. Die Waldbewohner und Zweige, ‹die Welt des Unterirdischen, reich an Gold, an Spuk, an Geheimnissen des Steins › , die Amazonen und die Hunnen sind das von der burgundischen Herrenkultur verdrängte Volk, vor der Kultur und unter ihr.» (Enno Patalas)
    Um die besondere Stellung von Langs Filmen in der Behandlung historisch-heroischer Stoffe zu bestimmen, ist es sicher nicht falsch, die Einschätzungen von Siegfried Kracauer (in Von Caligari bis Hitler) wiederzugeben:
    «Fritz Langs weltberühmter Film Die Nibelungen , 1924 uraufgeführt, wurde von der Decla-Bioskop produziert, die damals gerade mit der Ufa fusionierte. Die Vorbereitung dieses Filmklassikers nahm zwei Jahre in Anspruch. Thea von Harbou, die einen Hang zu titanischen Themen hatte, bearbeitete das Drehbuch frei nach alten Quellen, die sie auf Tagesaktualität zu trimmen versuchte. Aus dem nordischen Mythos wurde eine düstere Romanze, die legendäre Figuren als Opfer dumpfer Leidenschaften darstellte. Trotz des monumentalen Stils sollten Die Nibelungen keineswegs zu dem in Konkurrenz treten, was Lang in einer anlässlich der Premiere des Films veröffentlichten Erklärung ‹den verschwenderischen Aufwand des amerikanischen Kostümfilms› nannte. Ihm zufolge hatten Die Nibelungen eine gänzlich andere Mission: etwas betont Nationales zu

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