Filmwissen
Welt des jungen Siegfried, die ‹bleiche, eisige Luft› im Isenland Brunhilds, und die Welt Etzels, ‹des Asiaten › . Dabei verwandte er für Isenland und besonders für Worms eine streng ornamentale Stilisierung. Nicht Menschenmassen, sondern riesige Bauten (Otto Hunte, Erich Kettelhut, Karl Vollbrecht) beherrschen die Leinwand. In kahlen Hallen oder vor großflächigem Hintergrund ordnete er die Menschen mit Vorliebe in symmetrischen Formationen, er kleidete sie in Gewänder, die sie fast wie Statuen erscheinen ließen. Und so statuarisch filmte er sie auch. So scheinen die Menschen verloren, einem unerbittlichen Schicksal ausgeliefert, das sich dann auch im zweiten Teil erfüllt. Im Isenland bemühte sich Lang um eine ähnliche Stilisierung mit riesigen kantigen Lavablöcken und düsteren Schatten. Typisches Beispiel für Langs Stilwillen: Den Wald, durch den Siegfried reitet, ließ er aus Gips im Atelier bauen.
Die Welt der Hunnen und des Zwergenkönigs Alberich ist dagegen formlos, diffus. Die Hunnen hausen in ‹Wohnhöhlen › , schleichen geduckt durchs Bild und wirken – mit Ausnahme ihres Königs – allesamt gespensterhaft, unterirdisch. Es ist sicher kein Zufall, dass Mime, Alberich und Etzels Bruder Blaodell von dem gleichen Schauspieler (Georg John) gespielt wurden.
So unterscheiden sich beide Teile erheblich. Der erste ist statisch, monumental; hier ist fast jede Einstellung ein sorgsam kalkuliertes ‹schönes Bild › . Der zweite Teil ist chaotischer, dynamischer, voller Aktion, Bewegung und Blut. Im ‹Dritten Reich› wurde der erste Teil unter dem Titel Siegfrieds Tod in einer Tonfassung (1933) vorgeführt; den zweiten Teil beließ man im Archiv .»
Welchen Einfluss Langs Arbeit auf die Entwicklung des Genrefilms ausübte, ist nur schwer einzuschätzen. Immer wieder scheint das Ornamentale, jenes statische Arrangement der Massen auf, und immer wieder auch steht als Kontrast dazu die anarchische, ungeordnete, unterirdische Welt der Feinde, die sich zu keinem Ornament fügen können (man denke dabei nur an zahlreiche Beispiele der italienischen Antik-Filme, denen man mit ähnlichem Recht – und ebenso viel Problematik – vorwerfen könnte, sie seien Verlängerungen faschistischer Ästhetik in den Bereich der populären Mythologie). Aber all dies speiste sich, wie auch die Lust am Phantastischen, auch aus anderen Quellen; andere Legenden- und Märchenstoffe boten dem Kostüm-/Abenteuerfilm Material. Wirklich ins Genre integriert aber konnte sowohl der Stoff als auch seine Bewältigung durch Fritz Lang nicht werden. Denn der Abenteuerfilm erzählt von der Möglichkeit, das Schicksal zu bezwingen oder zu überlisten, in anderen Fällen erzählt er von der Unwichtigkeit des Schicksals gegenüber dem Heute, gegenüber der Bewährung, gegenüber der Lust. Die Feier der Schicksalsbestimmung in den «Nibelungen» vertrug sich also nicht mit der Seele des Genres. So ist es nicht verwunderlich, dass es direkte Weiterführungen kaum gab.
So drehte Giacomo Gentilomo 1957 Sigfrido ( Siegfried – Die Sage der Nibelungen ) mit Schauspielern wie Sebastian Fischer, Katharina Mayberg und Rolf Tasna in den Hauptrollen. Dieser Film verzichtete ganz auf Epos und Schicksal und konzentrierte sich auf die Geschichte von Siegfrieds Kampf mit dem Drachen, den er mit Hilfe seines magischen Schwertes gewinnen kann. In manchen Quellen ist sogar eine philippinische Version des Stoffes aus dem Jahr 1963 verzeichnet, etwa in Walt Lees Reference Guide to fantastic films , wobei aber weder der Regisseur noch die Frage, ob es sich um eine dramatisch-phantastische Version als Abenteuerfilm oder um eine Wagner-Variation handelt, zu eruieren ist. Il Tesoro della foresta pietrificata ( Il Tesoro ; 1965, Regie: Emimmo Salvi) mit dem Star vieler Antik-/«Muskelprotz»-Filme in Italien, Gordon Mitchell, in der Hauptrolle bezog seine Handlung nur sehr frei auf den Stoff der Nibelungen-Sage.
Harald Reinl unternahm schließlich das Wagnis einer Neuverfilmung in Deutschland; 1966/1967 kamen Siegfried von Xanten und Kriemhilds Rache heraus, action -betonte Kostümfilme, die sich nie ganz dem Vergleich mit Fritz Langs Arbeiten entziehen konnten, obwohl sie sichtlich unter anderen Voraussetzungen und mit anderen Vorstellungen produziert wurden.
«Harald Reinls ebenfalls zweiteiliges Remake von diesem Film aus den Jahren 1966/1967 mit dem Diskuswerfer Uwe Beyer als Siegfried brachte den Stoff auf ein bloßes Ausstattungsstück
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