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Filmwissen

Filmwissen

Titel: Filmwissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Seeßlen
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Ausschmückungen erfahren, doch blieb ihr Kern in groben Zügen konstant; sie fußt vornehmlich auf einer Volksballade aus dem 15. Jahrhundert, dem Lytell Geste of Robin Hood (1495). Zunächst geht es um den edlen Räuber, der sich mit einer Schar Vogelfreier und Abenteurer, darunter der Mönch Bruder Tuck und der starke Little John, mit dem Robin einst einen Zweikampf ausgefochten hat, sowie Robins Geliebter Marian, in den Wald von Sherwood zurückgezogen hat. Von hier aus führt er seine Raubzüge, deren Opfer vornehmlich reiche Adelige, Kaufleute und ausbeuterische Kleriker sind, während den Armen geholfen wird. Der grimmigste Gegner von Robin Hood und seinen merrie men , der Sheriff von Nottingham, kann die Geächteten trotz aller Anstrengung und eines großen Aufgebots von Schergen nicht bezwingen, nicht zuletzt deshalb, weil die Vogelfreien Unterstützung im Volk finden. Die Ballade lässt Robin Hood dieses Leben bis ins hohe Alter fortsetzen, bis ihn schließlich eine verräterische Nonne ermordet.
    In seinen Grundzügen ist die Legende von Robin Hood, die in dem erstaunlichen Bogenschützen vor allem den Wilddieb abbildet (denn das Jagdverbot war sicher eines der am meisten gehaßten Gesetze), Ausdruck des Widerspruchs zwischen Herrschaft und Volk im englischen Mittelalter, der auch einen Riss durch die Kirche bedeutete: Der arme und notabene von praktischer Frömmigkeit und wirklicher Nächstenliebe charakterisierte niedere Klerus stellt sich auf die Seite des Volks; der hohe Klerus bereichert sich nicht weniger schamlos als der weltliche Adel. Dieser Widerspruch kleidet sich später in den Konflikt zwischen herrschenden Normannen und geknechteten Angelsachsen. Eine weitere (« politische ») Harmonisierung erfuhr der Motivkreis schließlich, als man im 19. Jahrhundert aus Robin Hood einen Vagabunden und Räuber wider Willen, in Wahrheit von adeliger Abstammung machte, der in seine Lage vor allem wegen seiner unverbrüchlichen Treue zu König Richard Löwenherz geraten ist. Dieser ist nach einem Kreuzzug in Deutschland in Gefangenschaft geraten, und der usurpatorische Prinz John versucht zu verhindern, dass das geforderte Lösegeld erbracht und die Rückkehr des Königs ermöglicht wird. Robin Hood stellt nun (in solchen späteren Versionen der Legende) nicht nur das geraubte Geld in den Dienst der Befreiung des Königs, sondern durch ein waghalsiges Manöver gelingt es ihm und seinen Leuten auch, den Sheriff von Nottingham zur Herausgabe seines unrecht erworbenen Vermögens zu zwingen. Als Dank für seine Hilfe bedenkt der heimkehrende König Richard Robin mit einem Lehen und ermöglicht ihm, die in diesen Fassungen ebenfalls adelige Marian zu heiraten.
    Zu diesen Motiven und der feststehenden Typologie ist in den Jahren auch eine ausgeprägte Ikonographie entstanden: der jungenhafte Robin, in den Kleidern eines Jägers, der im Duell die besten Bogenschützen des Sheriffs von Nottingham besiegt; der gefräßige, gutmütige und doch schlagkräftige Tuck mit einem gewaltigen Bauch; der kolossale, treue Little John; die merrie men , die aus ihren Verstecken in den Kronen der Laubbäume einen Angriff beginnen; Pfeile, die durch den Wald schwirren; der Wachtposten, der in ein Horn stößt, wenn sich etwas bewegt; die Burg mit all ihren Winkeln und Verliesen; das Versteck im Wald mit seinen fröhlichen Gelagen; die zugleich brutalen und tumben Schergen; der blühende Klostergarten, in dem sich Robin und Marian treffen.
    Die neueren Versionen der Robin Hood-Erzählung entwickelten sich im Gefolge der Theaterstücke The Downfall of Robert, Earl of Huntingdon und The Death of Robert, Earl of Huntingdon (1598) von Anthony Munday und Henry Chettle, die, wie aus den Titeln ersichtlich, größten Wert auf die adelige Abstammung ihres Helden legten. Seit dieser literarischen Nobilitierung Robin Hoods und seiner Geliebten stehen den sozialkritischen immer auch restaurative Züge im Mythos gegenüber. Das Vergnügen an einer Outlaw-Geschichte paarte sich mit der Gewissheit, dass die Ordnung nie wirklich angetastet wurde.
    Die Bühnen sahen immer neue Robin Hood-Stücke, mal mehr dramatischerer, mal eher komödiantischer Natur, darunter – in Amerika – auch eine musikalische: Robin Hood (1890) von Alfred Koven. Ganz anders als bei anderen Motivkreisen wich man in den verschiedenen Versionen von den einmal gefundenen Formeln nur noch sehr geringfügig ab. Ihren Eingang in die romanhafte Abenteuerliteratur fand die

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