Filmwissen
erotische Lösung aller seiner Widersprüche.
Der Piratentraum zerbricht indes nicht nur an den verwickelten Beziehungen, sondern auch an wirklicher Politik/Geschichte. Sein «Patriotismus» funktioniert sowenig wie die Abenteuer-Lust-Beziehung. Der «Spätpiratenfilm» verweigert seinem Helden nicht nur die letztendliche bürgerliche Erlösung in der im Genre als Standard eingesetzten Ehe mit der Gouverneurstochter, er überführt sogar die ganze Piraten-Existenz ihrer Absurdität und lässt die Moral, die sich der Pirat geschaffen hat, in ihre Bestandteile zerfallen: romantische Barbarei und bürgerlicher Patriotismus gehen hier keine innige Verbindung mehr ein, sondern heben sich gegenseitig auf. Selbst die glänzende patriotische Tat, der Sieg über die Engländer an der Seite des amerikanischen Generals Andrew Jackson (Charlton Heston), bringt für Lafitte keine wirkliche Lösung, wirft ihn noch weiter in die Situation der Einsamkeit und der Verfemung. Yul Brynner schließlich kann dem Abenteuer nicht mehr lachend begegnen, er führt nicht mehr choreografisch, sondern patriarchalisch, mit beinahe steifen Bewegungen, er kämpft mit dem Mute der Verzweiflung und von vornherein, wie es scheint, mit dem Rücken zur Wand. Unter dem Zwang von Variation und Innovation hatte sich der Piratentraum selber aufgehoben.
The Buccaneer war im Übrigen nicht die erste Zusammenarbeit von Anthony Quinn und Cecil B. DeMille im Genre des Piratenfilms. Er ist vielmehr ein Remake des gleichnamigen Films, den DeMille selbst im Jahr 1938 fertiggestellt hatte ( Der Freibeuter von Louisiana ). Fredric March spielte in dieser Version den Jean Lafitte, und Anthony Quinn ist der Pirat Beluche. Dieser mehr patriotische als psychologische Film ist wie sein Remake zum «klassischen» Piratenfilm zeitversetzt, ist moderner, und möglicherweise spielt auch das eine Rolle bei dem Umstand, dass die Piraten-Mythologie hier nicht trägt (sie ist freilich aber auch weniger als – bewusst oder unbewusst – in Quinns Film Gegenstand der Reflexion).
In den Jahren um 1960, als die Produktion von Piratenfilmen in Hollywood zu versiegen begann, entstanden in Europa, vor allem in Italien, Frankreich und Spanien, eine Reihe von relativ bescheiden budgetierten und naiven Piratenfilmen, die im Allgemeinen ohne große Stars auskommen mussten und als Regisseure Routiniers des Abenteuerfilms oder aber amerikanische Gastregisseure wie etwa André de Toth oder Rudolph Maté aufwiesen. Mit einem Film, bei dem der Regisseur (Edgar G. Ulmer) und der Star (Louis Hayvard) Amerikaner waren, I Pirati di Capri ( Piraten von Capri ; 1949), hatte der Zyklus italienischer Piratenfilme auch seinen entscheidenden Impuls erhalten. Über die Entwicklung des Genres in Italien notierte Wolf-Eckart Bühler:
«Über ein Drittel aller Filme sind Co-Produktionen, meist mit Frankreich, die anderen mit Spanien bzw. Jugoslawien. Weit über die Hälfte der Filme sind in Farbe und im Scope-Format.
Eine Firma, ein Star, ein Regisseur, die sich für eine Zeitlang auf den Piratenfilm spezialisiert hätten, gibt es allerdings auch hier nicht. ‹Ausnahmen› bilden der Regisseur Domenico Paolella, der in den Jahren 1960 und 1961 vier Piratenfilme macht ( Il Terrore dei Mari – Die Abenteuer der Totenkopf-Piraten ; I Pirati della Costa – Küste der Piraten ; Il Secreto dello Sparviero Nero – Der Schwarze Brigant ; Le Prigioniere dell’Isola del Diavolo – Frauen für die Teufelsinsel ), der Produzent und Regisseur Primo Zeglio (1951: La Vendetta del Corsaro – Die Rache des Korsaren ; 1953: Capitan Fantasma – Der Korsar des Königs ; 1958: Il Figlio del Corsaro Rosso – Die Vergeltung des roten Korsaren ; 1960: Morgan il Pirata – König der Seeräuber ; 1961: Il Dominatore dei sette mari – Pirat der sieben Meere ) und der Schauspieler Lex Barker, der von 1958 bis 1961 jeweils einen Piratenfilm macht ( Il Figlio del Corsaro Rosso – Der Sohn des roten Korsaren – von Primo Zeglio, 1958, La Scimitarra del Saraceno von Piero Pierotti, 1959, I Pirati della Costa von Paolella, 1960, und Il Secreto dello Sparviero Nero , 1961, ebenfalls von Paolella) .»
Die Geschichten, die der mediterrane Piratenfilm zu erzählen hat, sind im Allgemeinen Variationen der klassischen Vorbilder aus Hollywood und aus der populären Literatur. Intrigen um Insel-Gouverneure wie in Marie des isles ( Sklavin der Pirateninsel ; 1959, Regie: Georges Combret), Kämpfe zwischen Piraten um einen Schatz
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