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Filmwissen

Filmwissen

Titel: Filmwissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Seeßlen
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akrobatischen Aktion, zu belassen und nahm ihm sogar mit der Farbe die Seele seines Traums. Es waren vielmehr Geschichten mit Piraten als Piratengeschichten, die solche Filme erzählten. So stellt sich etwa in Sea Devils ( Im Schatten des Korsaren / Seeteufel ; 1953, Regie: Raoul Walsh) die Beziehung von Pirat und Verräter dar als die zwischen dem Korsaren (Rock Hudson) und der schönen Spionin (Yvonne De Carlo), die er rettet. (Es handelt sich also gewissermaßen um die Umkehrung der Konstellation aus Anne of the Indies .) The Black Pirates ( Der Schatz des Freibeuters ; 1954, Regie: Allen H. Miner) variiert ein eher aus dem Western-Genre bekanntes Motiv: Eine Gruppe von Outlaws/Piraten terrorisiert ein Städtchen, bis sie bezwungen wird. Hier kommt es dazu, weil eine Piratenmannschaft kein Schiff mehr hat und versucht, an einen ausgerechnet unter einer Kirche vergrabenen Schatz heranzukommen. In His Majesty O’Keefe ( Weißer Herrscher über Tongae ; 1954, Regie: Byron Haskin) organisiert ein weltläufiger Seemann (Burt Lancaster) den Widerstand von Eingeborenen auf einer Insel gegen Piraten. Alle diese Filme hatten nur wenig mit der Ikonographie und der Moral des «wirklichen» Piratenfilms zu tun. Gerade weil der Pirat zu einer allgemeineren Chiffre außerhalb der strengen Regeln «seiner» Geschichte werden konnte, verlor das Genre an Konsistenz.
    Wolf-Eckart Bühler stellt zum eigentlichen Ende des Piratenfilms folgende Überlegungen an
    «dass der Piratenfilm nach 1954 wieder fast in der Versenkung verschwindet, dürfte seinen primären Grund darin haben, dass er – trotz allem immer noch aufwändiger als die meisten anderen Genres, die Farbe ist geradezu Bedingung … – wohl nicht die entscheidend große Kasse machte als der Durchschnitt an Western, Gangsterfilmen usw. Also nach einer genügend großen ‹Probezeit › , Schlussgong, Aus!
    Das tatsächliche Ende des Piratenfilm-Genres hat – wie auch schon sein Beginn – nur relativ mit dem speziellen Genre selbst zu tun, liegt vielmehr in dem Verschwinden des Genrefilms überhaupt begründet, das heißt letztlich im Scheitern Hollywoods …
    Die Gefahr nicht scheuend, lieber Leser, an dieser Stelle ein wenig unvermittelt abzubrechen, möchte ich mich im Folgenden auf wenige Thesen betreffs des Endes des Piratenfilm-Genres beschränken:
    a) Der Piratenfilm hat, weil so spät entstanden, es nie dazu bringen können, im Gegensatz zum Beispiel zum Western, derart spezifische Codes aus sich heraus zu bilden, dass, ihrer beraubt, man vermeinen könnte, des Films überhaupt beraubt zu sein.
    b) Der Piratenfilm ist ein Film mit sehr wenig Standards (Schiffsmanöver, Schiffskämpfe, Entern des Beuteschiffes, Eroberung der Herzensdame, Gefangenschaft und Folter beim gegnerischen Gouverneur sowie Befreiung, Kneipenderbheit, etwas Insel/Südsee-Romantik …) und Schauplätzen (Schiff, Küste, Gouverneurspalast, Taverne); selbst Ortswechsel (Karibisches Meer, England, Afrika, amerikanische Küste, China) bringen wenig Neues, höchstens Änderungen in der Zeit, aber dann ist es kein ‹Piratenfilm› mehr …
    c) Direkte Gegenwartsbezüge sind im Piratenfilm nur äußerst schwach (im Gegensatz zum Western), sie sind ideologisch also schwer befrachtbar; das läuft einerseits den Intentionen der Hersteller zuwider, wirft andererseits zu wenig an Alibis für sie ab (auf der Höhe der Zeit sein …), und kann schließlich dem an Fernsehserien-Kost gewöhnten Zuschauer zu wenig an unmittelbarer Identifikation bieten …
    d) Seiner sinnlichen und anarchistischen Qualitäten wegen ist der Piratenfilm ein zu ‹gefährliches› Genre gewesen.
    e) Die See ist im Zeitalter der Jumbo-Jets und Sky-Labs entmystifiziert. Die Kinder lesen weniger (und weniger Seegeschichten) und gucken mehr Fernsehen (und sehen keine See/Piraten-Filme). Die See als potenzieller Freiheitsraum für die Kinder, Narren, Abenteurer und Unterdrückten ist nicht mehr. Wenn man in der Zeitung von ‹arabischen Luftpiraten› liest, denkt man sich zwar, na wenigstens ist die Piraterie noch nicht völlig ausgestorben – doch welche Welten trennen den alten Hass der Engländer und Franzosen auf die Spanier im 17. Jahrhundert von dem Hass zwischen Arabern und Israelis heute, und welche Welten die Arbeit, die das Entern und Führen eines Segelschiffes erforderte, von der Entführung eines Düsenclippers, indem man dem Piloten den Revolver an die Schläfe hält oder die Geisel zu erschießen droht …
    f)

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