Filmwissen
den klassischen Modellen messen, und die Schauspieler agieren mit sichtlichem Engagement. Aber etwas grundlegend Neues konnte auch Greenes Arbeit nicht über den Grafen von Monte Christo zutage fördern. Es ist vielleicht bezeichnend, dass der Film, seinem Aufwand und seiner gestalterischen Großzügigkeit zuwiderlaufend, in Amerika nur im Fernsehen gezeigt wurde: der Stoff und seine an den klassischen Vorbildern orientierte Gestaltung war domestiziert; in ihm spiegelt sich nicht mehr allzuviel von unseren eigenen Problemen. Und an mehr oder weniger gnadenlosen Racheengeln hat unsere populäre Mythologie mittlerweile ganz andere Exemplare hervorgebracht …
Die Erben der Musketiere
Wo der Mantel & Degen-Film eine Qualität von Ironie und Eleganz erhielt, sprach er immer auch ein Publikum an, das den naiven Traum des Abenteuers nicht (mehr) verteidigen konnte. Geradezu ein Kultfilm geworden ist in dieser Art der englische Restaurations-Abenteuerfilm The Scarlet Pimpernel ( Wer ist Scarlet Pimpernel? / Die scharlachrote Blume / Das scharlachrote Siegel ; 1934, Regie: Harold Young). Er erzählt die Abenteuer eines geheimnisvollen Mannes, der zur Zeit der französischen Revolution verfolgte Adelige aus dem Gefängnis und vor der Hinrichtung rettet. Hinter dem als «Scarlet Pimpernel» bekannten und gefürchteten Abenteurer verbirgt sich der englische Adelige Percy Blakeney (Leslie Howard), der sich als Dandy und ein wenig unmännlicher Mode-Snob tarnt. Nicht einmal seine Frau (Merle Oberon) ahnt von seinem Doppelleben, und sie verrät ihn unwissentlich. Scheinbar rettungslos in der Falle, kann Scarlet Pimpernel seinen Häschern doch noch in letzter Minute ein Schnippchen schlagen und gemeinsam mit seiner Frau, die ihn nun in anderem Lichte sieht, das sichere und geordnete England erreichen.
Was den Film von anderen des Genres unterscheidet, ist nicht allein die eher ironische Darstellung des Helden und der Aktion. The Scarlet Pimpernel ist zugleich ein Abenteuerfilm und eine psychologische Ehe-Komödie, die durch die «Doppelgesichtigkeit» des Helden in Gang kommt, ein Spiel mit Rollen. Die für den swashbuckler selbstverständliche Einheit von Kampfkraft und Eleganz ist hier gewissermaßen geteilt, historische Größe korrespondiert mit privater Skurrilität. Es geht dabei um eine spezifisch englische Art, Geschichte auf menschliches Format zu reduzieren, wie es auch in einer ganzen Reihe von britischen Historienfilmen, beginnend etwa mit The Private Life of Henry VIII ( Das Privatleben Heinrichs VIII. ; 1933, Regie: Alexander Korda), gepflegt wurde. Ironische Distanz verband sich mit einem gewissen Stolz bei der Gegenüberstellung der englischen, noblen Gesellschaft mit der chaotischen, grausamen Welt des nachrevolutionären Frankreich. Mit Stil, Geschmack, understatement und Menschlichkeit, so die Botschaft dieser Filme, lässt sich in der Geschichte und gelegentlich eben auch gegen sie überleben.
Der Hauptdarsteller Leslie Howard selbst inszenierte eine Art Fortsetzung zu Youngs Film, Pimpernel Smith (1941), in dem er auch wieder die Hauptrolle verkörperte. Howards Arbeit erzählt mehr oder weniger die Geschichte von The Scarlet Pimpernel noch einmal, diesmal allerdings verlegt in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Der Held unternimmt von England aus abenteuerliche Reisen, um Flüchtlingen zu helfen. Weil die leicht polemische Konfrontation von Adel und bürgerlichen (beziehungsweise «pöbelhaften ») Revolutionären hier nicht vorhanden ist, konnte der Stoff seine innere Humanität belegen.
Eine weitere Variante schuf Hans Schwartz 1937 mit The Return of The Scarlet Pimpernel , die Sir Percy Blakeney (Barry K. Barnes) erneut nach Frankreich schickt, wo er neben einer Reihe von Adeligen auch seine Frau vor der Guillotine retten muss. Wie der erste Film (und eine Anzahl ähnlicher ironisch-psychologischer Historienbilder) war auch The Return of The Scarlet Pimpernel von Alexander Kordas London Films produziert worden (während Howard seinen Film selbst für British National produziert hatte). 1950 entstand, unter Verwendung des Drehbuchs zu The Scarlet Pimpernel , eine neue Version: The Elusive Pimpernel ( Das dunkelrote Siegel ; Regie: Michael Powell, Emeric Pressburger), die David Niven in der Hauptrolle präsentierte. Das teure und farbige Remake konnte freilich weder den Charme noch die Leichtigkeit des Originals erreichen und wirkte gerade durch sein Überaufgebot an Technik und Aufwand eher unangemessen,
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