Filmwissen
Rebellen, der einst dachte, eine Gesellschaft auf den Kopf zu stellen, ist dem Kalkül des verliebten Poseurs gewichen. Das soziale Pathos wird zum spektakulären Moment, das die Geliebte gnädig stimmen soll. Sie indes sagt weder ja noch nein, als, er, seines Erfolges sicher, sie zum nächtlichen Rendezvous bittet. Sie ist nicht das Wesen, das er in ihr sieht. Sie ist nur ein feudales Gretchen, das ihn, unwissentlich, verrät. Zwar kommt Cartouche noch einmal frei, doch um den Preis, dass seine Frau Venus getötet wird.
Zurück bleibt ein dubioser Held mit einer mürrischen, Gefolgschaft, die ihn fragt, wie es denn jetzt weitergehen solle. Dass er sich rächen wolle und wohl eines Tages am Galgen enden werde, ist die Antwort. Doch was noch geschehen mag, es geschieht jenseits dieses Films. Das Ende ist abrupt, läuft dem der käutnerschen Kino-Mär vom Schinderhannes krass zuwider. De Broca schlägt seinem Publikum (und vermutlich auch seinen Produzenten) hier ein ähnliches Schnippchen wie mit dem Ende seines ‹Farceur › . Der Cartouche, der wieder zum bloßen Hassenden, zum nichts und niemandem verpflichteten legendären Räuberhauptmann geworden ist, interessiert ihn nicht mehr» (Martin Ripkens).
Mit dem erwähnten Film Fanfan la Tulipe ( Fanfan, der Husar ; 1952, Regie: Christian-Jaque) hat Cartouche vielleicht noch ein wenig mehr gemein als nur das Tempo. Auch hier herrscht die ironisch-reflektierende Sicht vor, und die Geschichte selbst ist eine – wenn auch «konservativere» – Darstellung von Machtverhältnissen. Gerade in diesen französischen Filmen wird klar, was der swashbuckler ist: ein Mann, der zwischen Bürger und Revolutionär einen dritten Weg sucht, mal mit mehr bürgerlichen (im Kontext des Genres natürlich: nobel-loyalen), mal mit mehr revolutionären Impulsen in seinem Traum.
«Nach dem ‹Petit Larousse› ist die Figur des Fanfan-la-Tulipe ein von Liederdichtern geschaffener Typ des französischen Soldaten, der den Wein ebenso liebt wie den Ruhm und die Frauen, und der allzeit bereit ist, seine Tapferkeit in den Dienst jener Sache zu stellen, die er gerecht findet. Im Film ist die Reihenfolge von Fanfans (Gérard Philipe) Vorlieben auf den Kopf gestellt: Die Frauen interessieren ihn bei weitem mehr als Ruhm oder gar Wein. Als rechter Schwerenöter und Schürzenjäger ist er denn auch zu Beginn dieser bewegten Abenteuergeschichte gezwungen, vor einer unfreiwilligen Heirat in die Armee König Ludwigs VI. (Marcel Herrand) zu fliehen. Da ihm Adeline (Gina Lollobrigida), die Tochter des Truppenwerbers, in betrügerischer Absicht prophezeit, die Hand der Königstochter sei ihm vorausbestimmt, richtet er in abergläubischer Verschrobenheit sein ganzes Sinnen und Trachten auf dieses Ziel hin. Das Schicksal scheint auf seiner Seite zu stehen, denn alsbald kann er das edle Fräulein samt der Madame Pompadour aus den Händen von Räubern befreien. Das bringt ihm als Lohn zwar vorerst nur eine goldene Tulpe aus der Hand der Königstochter und damit seinen Übernamen Fanfan-la-Tulipe ein, hilft ihm jedoch, Unbill und Drill des Soldatenlebens souverän zu überstehen. Als er sich nächtlicherweile mit seinem Freund Franche-Montagne (Olivier Hussenot) seiner Angebeteten in ihren Gemächern zu nähern wagt, werden beide erwischt, ins Kittchen gesteckt und zum Tode verurteilt. Nur die Fürsprache Adelines beim König rettet die beiden im letzten Moment vor der Hinrichtung. Nun dämmert es Fanfan allmählich, dass Adeline ihn liebt und er sie eigentlich auch. Aber fast ist es für diese Erkenntnis zu spät, denn König Ludwig (‹Man nannte ihn den Vielgeliebten, obwohl er es doch war, der so viel geliebt hat › ) hat inzwischen die hübsche Adeline sich selbst als Dankespreis für die Begnadigung Fanfans zugedacht. Des Königs Macht kann jedoch Fanfan nicht abhalten, er macht sich auf, seine Adeline den Händen der königlichen Lakaien und des verräterischen Nebenbuhlers Fier-à-Bras (Noël Roquevert) zu entreißen, wobei er so ganz nebenher den Generalen eine ganze schöne Schlacht nicht nur verdirbt, sondern auch gleich noch gewinnt. Und schließlich wird Adelines Prophezeiung auch noch wahr: Der König adoptiert sie und gibt sie Fanfan-la-Tulipe zur Frau.
Den Personen geht zwar jegliche Psychologie ab, aber Henri Jeansons spritzige, freche, frivole, satirische und spöttische Dialoge bieten dafür vollwertigen Ersatz. So gepflegt und blendend diese Dialoge sind, so ist Fanfan la tulipe in
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