Filmwissen
erreichen, gewiss nicht allein wegen der geringeren Budgetierung der Filme und der minderen Qualität der Regie-Arbeiten (zumindest Castellari ist gewiss einmal als kommender Kult-Regisseur zu entdecken), sondern vor allem, weil der swashbuckler seinen Weg ins Abenteuer nicht mehr so leicht bewältigen konnte.
Stewart Granger war wohl der letzte der «einfachen», ungebrochenen Abenteurer, die sich keine Autorität über den Anspruch ihrer Person hinaus anmaßten. Er spielte in The Prisoner of Zenda (1952), Beau Brummell ( Beau Brummell – Rebell und Verführer ; 1955, Regie: Curtis Bernhardt) und einer Reihe von «modernen» Abenteuerfilmen wie King Solomon’s Mines ( König Salomons Diamanten ; 1950, Regie: Compton Bennett, Andrew Marton), bevor auch er seinen Weg in den mediterranen B-Abenteuerfilm wie Lo Spadaccino di Siena ( Degen-Duell ; 1962, Regie: Etienne Périer) fand.
Aber vielleicht hatte sich schon in dem früheren Stewart Granger die Krise des swashbucklers abzuzeichnen begonnen. Seine Verführungskünste waren das eine oder andere Mal schon zu geckenhaft vorgetragen, seine Blicke zu posenhaft, um noch glaubhaft zu machen, dass es hier um die Entführung in ein Land des anderen ging, und er führte sein abenteuerliches hedonistisches Leben immer wie ein Bürger, nicht wie ein Proletarier wie Tyrone Power oder Burt Lancaster, oder auch Jean-Paul Belmondo. Er konnte seine Umwelt noch irritieren, aber er konnte sich nicht mehr über sie hinwegsetzen. Kurz, dieser Abenteurer war kein Kind mehr, und so bereitete er Abschied und Verrat vor.
Zu den Konkurrenten Grangers in Europa gehörten etwa Georges Marchal – Le Vicomte de Bragelonne (vergleiche den Abschnitt D’Artagnan und die drei Musketiere) , der erwähnte Gérard Barray Les Trois Musquetaires (1960), Le Chevalier de Pardaillan ( Der scharlachrote Musketier / Der Ritter von Pardaillan ; 1962, Regie: Bernard Borderie), Hardi, Pardaillan! ( Der Triumph des Musketiers ; 1963, Regie: Bernard Borderie) und Georges Rivière – Mandrin / L’Indomabile ( Mandrin, der tolle Musketier ; 1962, Regie: Jean-Paul le Chanois). Alain Delon unternahm mit La Tulipe noir ( Die schwarze Tulpe ; 1963, Regie: Christian-Jaque) einen Ausflug ins Genre, der nicht nur durch die Person des Regisseurs und den Titel mit Fanfan la Tulipe verknüpft ist, und noch einmal Jean-Paul Belmondo mit Les Mariés de l’an deux ( Musketier mit Hieb und Stich ; 1971, Regie: Jean-Paul Rappeneau).
Der berühmteste der Helden der französischen Mantel & Degen-Filme aber war zweifelsfrei Jean Marais, der in Filmen wie Le Comte de Monte Cristo (1961), La Tour, prends garde ( Des Königs bester Mann ; Regie: Georges Lampin), Le Capitan ( Mein Schwert für den König ; 1960, Regie: André Hunebelle), Le Masque de fer ( Die eiserne Maske ; 1962, Regie: Henri Decoin) einen herb-romantischen Helden abgab. Marais war der gerechte, souveräne Kämpfer für die gerechte Sache, immer war seine Moral auch die von Gesetz und Ordnung, und nie war er ein Rebell; er war pragmatisch, wo die angelsächsischen swashbuckler romantisch waren, und er war romantisch, wo diese pragmatisch dachten und handelten.
Marais verstand die Fechtkunst, beherrschte auch den «kreativen Umgang mit den Objekten», aber er war nicht eigentlich ein Akrobat. Wenn er lächelte, lag darin Freundlichkeit und Härte, nie aber diese ungeheure Unverschämtheit, mit der der wahre Abenteurer der Welt die lange Nase zeigt. Die Anarchie, die als fernes betörendes Leuchten den Weg der frühen swashbuckler begleitet hatte, rückte in den letzten beiden Jahrzehnten des Genres in immer weitere Ferne, selbst dort, wo sie in Europa gar thematisiert war. Der Abenteurer richtete sich zunehmend an Werten außerhalb seines Traums aus – und verlor sich dabei in seinen Aktionen.
Der Mann mit der Maske
Zorro ist keine klassische Abenteuer-Gestalt, keine Pop-Version eines Volkshelden; der Mann mit der Maske entstammt einer Mythenbastelei der Pulp Fiction. Im August 1919 erschien in Argosy eine Erzählung des Boulevardjournalisten Johnston McCulley, The Curse of Capistrano , die den maskierten Helden in der Zeit der «Dons», der Spätfeudalherren im unter mexikanischer Herrschaft stehenden Kalifornien des frühen neunzehnten Jahrhunderts vorstellte. Es ist die Geschichte von Don Diego de la Vega, Sohn einer angesehenen kalifornischen Familie. Nach außen gibt er sich als weltfremder Träumer, ein Homme de lettre, wie ihn sich der
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