Filou: Ein Kater sucht das Glück - Roman (German Edition)
kann beim besten Willen nicht hinausgehen und selbst für mich sorgen.«
Natürlich konnte sie das nicht. Filou verstand. Doch das Leben draußen war viel zu aufregend, als dass er immer an seine Pflichten gedacht hätte.
Die Düfte um ihn herum ließen erhabene Geruchslandschaften in seinem Kopf entstehen, er wünschte sich eine größere Nase, um alles auf einmal aufnehmen zu können, was ihm da entgegenströmte. Das Pflaster in der Ruelle des Camisards roch nicht mehr kalt und blau, sondern lockte mit einem warmen Rotschimmer. An den Hausecken und Blumentöpfen stank es zwar noch immer tiefviolett nach den Markierungen der vier schwarzen Rüpel und den Körperflüssigkeiten von Yapper, dem Dackel, und die Grande Rue beherrschte ein strenges Schwarzblau. Doch aus dem umzäunten Geviert vor dem Kriegerdenkmal duftete es so hellgelb, dass man allein vom Riechen satt wurde.
Eines Tages, als er bei seiner täglichen Patrouille durchs Dorf wieder an dem Denkmal vorbeikam, hörte er ein aufgeregtes Zwirbeln und Schnarren. Er blieb stehen. Oben auf dem großen weißen Stein, vor dem ein Kranz aus vertrockneten Lorbeerblättern lag, den eine blau-weiß-rote Schärpe zusammenhielt, hockte ein kleiner Vogel, ein schmales graues Kerlchen mit rostrotem Schwanz, und schimpfte zu ihm herunter.
Filou setzte sich auf die Hinterbeine, starrte auf das aufgeregte Tier und begann unwillkürlich mit den Zähnen zu klappern, die sich ganz gegen seinen Willen bereitzumachen schienen, die zappelnde Beute totzubeißen. Das machte das Hausrotschwänzchen noch wütender. Er hätte ihm gern erklärt, dass es nichts zu befürchten habe, dass jemand wie Filou niemals einem Vogel etwas antun könne. Als eindeutiges Friedensangebot legte er sich nieder, den Kopf auf die Pfoten.
Doch anstatt sich zu beruhigen, schoss der Vogel hoch hinauf in die Luft und ließ sich ein paar Handbreit vor Filou wieder auf den Boden fallen, wo er hin und her stolzierte und ihn beschimpfte, als ob er ihn herausfordern wollte. Glaubte das Kerlchen etwa, es könne ihn angreifen? Filou schaute dem Spektakel eine Weile fassungslos zu, bis ihm die Sache zu langweilig wurde. Unter dem Gezeter des Vogels stand er auf, schüttelte sich das Fell zurecht und lief weiter.
Vor Brunos Bar beschleunigte er, der Gestank dort übertönte wie immer alle gefälligeren Gerüche. Dann bog er ab in die Rue des Fleurs und trabte Richtung Café.
Den Sommer begleiteten nicht nur neue Gerüche, er veränderte auch die Menschen. Alle waren freundlicher, sogar der Metzger. Und mit den Fremden, die seit einigen Wochen Beaulieu bevölkerten, wurde das Leben heiter und leicht.
Sie sprachen anders, sie rochen anders, sie kleideten sich anders als Beaulieus Einwohner. Die Frauen trugen luftige Flatterkleider und lustige Schuhe. Die Männer hatten nackte Beine und Sandalen an den Füßen. Man traf sie zu jeder Tageszeit draußen vorm Café. Und sie waren ganz versessen auf das Durchfüttern halbverhungerter Straßenkatzen. Filous Schweif hob sich voller Vorfreude, und er trabte voran, die Nase in der Brise.
Alle Tische waren besetzt. Die Menschen hatten ein Lächeln auf dem Gesicht und hielten die nackten Beine in die Sonne, manche waren noch ganz weiß, viele gerötet, einige braungebrannt. Filou stellte die Ohren auf und scharwenzelte in leichter Schräglage näher. Vor dem Tisch vorn, an dem eine Frau mit riesengroßer Sonnenbrille ein Croissant in ihren Milchkaffee tunkte, blieb er stehen und lehnte sich kokett an den Laternenpfahl. Das wirkte meistens.
Tatsächlich lächelte die Frau in seine Richtung, brach ein Stückchen vom Croissant ab und warf es ihm zu. Filou senkte dankbar den Kopf und schlang die Gabe herunter. Das schien ihr zu gefallen, denn das nächste Stück hielt sie ihm hin, sodass er näher kommen und ihr aus der Hand fressen musste.
Das machte ihm nichts aus. Er ließ sich mittlerweile sogar bereitwillig kraulen – von denen, die sich trauten. Einige zuckten zurück, wenn sie ihn sahen, und murmelten etwas von »Total verfloht und verlaust, diese armen Viecher, man sollte sie …«
Das war natürlich ungerecht. Und was genau man sie sollte, überhörte er. Er war ja kein Masochist.
Die nette Dame roch strahlend rot, nach Honig und Rosen, er schnupperte ihr erwartungsvoll entgegen und wollte gerade nach dem nächsten Stückchen Croissant schnappen, als ihm eine pfeilschnelle schwarze Pfote mit weißen Söckchen zuvorkam.
Mimi. So ein Biest. Filou fauchte vor
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