Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
Vom Netzwerk:
beachten und der eine oder andere sich sogar mit fahrendem Volk einlässt. Da würde mir sicher auch Paul Dalmonte zustimmen«, sagte der Ratsherr etwas versöhnlicher und drehte sich zu dem alten Lombarden um, der sich nun halb von seinem Sitz erhob und freundlich verbeugte. Er war froh, dass er nichts zu sagen brauchte. Merckenich vertrat ihn gut. Peinlich berührt erwiderten die Ratsherren seinen Gruß.
    Â»Im Übrigen …«, fing Merckenich noch einmal an und richtete sich dabei vor allem an von Merzen: »Du verdienst doch auch an ihnen mit deinem Kommissions- und Speditionshandel. Hättest nur halb so viel Gewinn ohne die ganzen Waren aus Frankreich, Spanien, Mailand, Venedig und sonst woher.«
    Von Merzen nuschelte irgendetwas vor sich hin, aber die Worte drangen nicht bis zu Dalmonte. Merckenich zog seinen Geldbeutel unterm Rock hervor und schickte sich an zu zahlen. Auch die anderen tranken schweigend ihren Wein aus und erhoben sich.
    Â»Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.« Badorf stupste von Merzen versöhnlich in die Seite. Der verzog verlegen sein Gesicht und machte eine Geste, die Dalmonte als Entschuldigung deutete.
    In diesem Moment betrat Laurenz Bianco die Schankstube. »Du kommst spät«, wollte Merckenich ihm zurufen, aber als er dessen ernstes Gesicht sah, besann er sich.
    Bianco zog sich einen Stuhl heran.
    Â»Schon wieder einer dieser unsäglichen Diebstähle. Dieses Mal hat es Farina getroffen.«
    Während die anderen noch einmal Platz nahmen und der Kannenwirt neue Getränke austeilte, begann der alte Ratsherr zu erzählen. Von dem dreisten Überfall auf den Frachtboten, bei dem der Dieb mehrere Dutzend Flakons erbeutet hatte, ganz frisch aus der Glasbläserei, wahrscheinlich aus Murano. Und, nachdem er sich mit Merckenich und Dalmonte kurz durch Blicke verständigt hatte, schilderte er auch die Messe für Johanna Catharina und den unerfreulichen Vorfall auf dem Laurenzkirchplatz danach.
    Â»Cettini beharrt auf seinen Vorwürfen gegenüber Farina«, beendete er seinen Bericht.
    Den Ratsherren hatte es die Sprache verschlagen.
    Â»Kann der Diebstahl etwas mit dem Tod der Jungfer zu tun haben?«, fragte Peter Bürvenich in die ungewöhnliche Stille hinein.
    Merckenich schüttelte den Kopf.
    Â»Ich kann es mir nicht vorstellen. Es hat davor doch schon eine ganze Reihe derartiger Diebstähle gegeben.«
    Â»Wozu haben wir eigentlich Bürgerhauptleute, wenn die nicht besser aufpassen?«, begehrte Wittmann auf, aber das interessierte im Augenblick niemanden.
    Â»Hat ein Medicus den Leichnam der Jungfer untersucht?«, wollte Badorf wissen.
    Â»Vielleicht ist sie ja vergiftet worden«, warf Wittmann aufgeregt dazwischen. »Mit Schierling ist es ja ein Kinderspiel, Sokrates hat schon dran glauben müssen. Auch Wolfswurz ist ein beliebtes …«
    Bianco brachte seinen Ratskollegen mit einem Blick zum Schweigen.
    Â»Nein, die Tote wurde nicht untersucht. Die Mutter glaubte, und glaubt es noch immer, dass ihre Tochter eines natürlichen Todes gestorben ist. Nun ist sie unter der Erde, da ist nichts mehr zu machen.«
    Â»Gott sei ihrer Seele gnädig. Amen«, sagte Dalmonte.
    Thelen räusperte sich. Er neigte sich zu von Merzen hinüber und zupfte ihn am Rockärmel.
    Â»Hab ich’s nicht gesagt? Das ist ein unberechenbares Pack, diese Welschen. Jetzt bringen sie sich schon gegenseitig um …«
    Er lachte, er hatte sich nicht die Mühe gemacht, leise zu sprechen.

ACHT
    Die Stimmung war gedrückt, als sie sich wie an jedem ersten Sonntag eines Monats gemeinsam um den Abendbrottisch in der Küche versammelten, die Knechte mit geputzten Fingernägeln und die Mägde frisch gekämmt mit sauberen Häubchen und Schürzen. Johanna, die Köchin, hatte Suppe und Fleisch aufgetragen, Frau Gertrude kam mit einem großen Krug Bleichert aus dem Keller und schenkte jedem ein.
    Schon seit Beginn ihrer Ehe bestand Dalmonte auf dieser Zeremonie, obwohl seine Frau mit ihm zankte. Im Haus ihrer Eltern an der Hohen Pforte hätte es so etwas nicht gegeben. Ein- oder zweimal im Jahr, ja! An kirchlichen Feiertagen. Aber einfach so, jeden Monat! Was sollten denn die Nachbarn denken!? Aber der Lombarde ließ sich nicht beirren. Zu Hause in Craveggia war die Küche immer voll gewesen, auch die Nachbarskinder durften mitessen und die uralte Elsa Torini, die niemanden mehr

Weitere Kostenlose Bücher