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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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über Kölner und Nicht-Kölner Bürger behielt Dalmonte für sich. Es würde seine Frau nur unnötig aufregen.
    Â»Cettini hat also sterben müssen, weil er Farina beschuldigt hat?«
    Anna war jetzt wieder hellwach. Sie strich Moritz eine Haarsträhne aus der Stirn. Er schlief so tief, dass er die Berührung nicht merkte.
    Â»Es sieht fast so aus«, antwortete Dalmonte.
    Â»Wegen des Aqua mirabilis?«
    Â»Anscheinend.«
    Frau Gertrude schnaubte entrüstet. »Aber warum beschuldigt er dich, ihm seine Kiste mit Rosolien gestohlen zu haben? Das ist doch lächerlich.«
    Â»Vielleicht sagt er es nur so. Aus Verbitterung darüber, dass ich ihn in dem Streit mit Cettini allein gelassen habe.«
    Â»Das ist doch noch lange kein Grund, dich so infam zu beleidigen. Wenn dieser Mensch mir über den Weg läuft …«
    Frau Gertrude brach ab. Sie schlug sich mit der Hand auf den Mund und blickte ihren Mann erschrocken an. Dann sagte sie langsam: »Cettini war auf dem Weg zu dir. Vielleicht sollte sein Tod eine Warnung sein. Eine Warnung für dich.«
    Dalmonte sah ihre Angst, es rührte ihn. Immer polterte und schimpfte sie durchs Haus, aber wenn es drauf ankam, stand sie zu ihm. Er streichelte ihr ungeschickt die Hand und versuchte sie zu beruhigen.
    Â»Man bringt nicht jemanden um, um einen anderen zu warnen. Vielleicht hatte Cettini Beweise in der Hand, die ihm zum Verhängnis wurden.«
    Â»Und wenn Farina glaubt, dass Cettini dir davon erzählt hat?«
    Er schaute seine Frau entgeistert an, dann schüttelte er heftig den Kopf.
    Â»Hat er aber nicht.«
    Geistesabwesend zupfte er sich am Ohr.
    Â»Nein«, sagte er übergangslos, »… das passt alles nicht zusammen.«
    Der Spediteur senkte die Stimme, als ob er befürchtete, jemand könne mithören, der nicht mithören sollte.
    Â»Nehmen wir an, es ist etwas dran an Cettinis Behauptung – wer könnte es Farina nachweisen? Johanna Catharina liegt unter der Erde und kann nicht mehr reden. Oder …«, Dalmonte wurde wieder lauter, »… oder er hat mit ihrem Tod nichts zu tun, und sie ist ganz natürlich an Herzversagen, Melancholie oder Überanstrengung gestorben. In beiden Fällen wäre doch Farina am Ziel seiner Wünsche angelangt. Warum sollte er das durch einen unüberlegten und noch dazu so aufsehenerregenden Mord aufs Spiel setzen? Das wäre doch viel zu gefährlich. Ausgerechnet jetzt, wo er endlich, wie er es immer angestrebt hatte, der einzige Hersteller von Aqua mirabilis ist und damit freie Hand hat?«
    Â»Und keine Jungfer Catharina ihn mehr beschuldigen kann, sein Rezept sei abgekupfert«, ergänzte Anna nachdenklich. »Das würde bedeuten, dass Cettini von jemand anderem überfallen wurde? Nur, von wem und warum? Aber hatten die Angreifer nicht gesagt: ›Farina lässt grüßen‹?«
    Es war ihr anzusehen, dass sie völlig durcheinander war.
    Â»Ja, das hat Cettini gesagt, und warum sollte er gelogen haben?«
    Â»Aber der Diebstahl der Flaschen? Was hat der mit Cettinis Tod zu tun? Hat er überhaupt etwas damit zu tun? Und was ist mit all den anderen Diebstählen, bei uns und überhaupt?«
    Â»Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht. Ich wollte, ich könnte euch eine Antwort geben.«
    Dalmonte blickte ratlos von einem zum anderen. Moritz schrie im Schlaf auf, Anna streichelte und wiegte ihn, bis er wieder ruhig war.
    Â»Schluss für heute«, sagte der alte Spediteur, »in der Nacht lässt sich schlecht denken.«

NEUN
    Ãœber Deutz dämmerte der Morgen. Durch das oberste Dachfenster des Hauses »Zum roten Schiff« im Filzengraben fiel gräuliches Licht. Anna öffnete die Augen ohne sich zu bewegen. Nur langsam nahm sie die Umrisse der Möbel in ihrem Zimmer wahr, das Fußende des Bettes, dahinter den Kleiderschrank. Der Konsoltisch an der gegenüberliegenden Wand lag noch in fast völliger Dunkelheit. Sie ahnte die Gegenstände, die darauf standen, mehr, als dass sie sie sah. Eine Schale mit Haarspangen. Federn, Tinte und Papier. Das Gesangbuch ihrer Mutter. Der ovale Spiegel auf einem Schubladenkästchen, der eigentlich Frau Gertrude gehörte, den sie aber benutzen durfte, seit sie im Haus war. In dem Fach bewahrte sie die früheren Briefe ihres Vaters und jetzt auch die tuchumwickelten Scherben der Aqua-mirabilis-Flasche. Jeden

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