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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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Tag roch sie daran. Die kleine Lade war erfüllt von dem Duft.
    Sie schloss die Augen wieder, unter den geschlossenen Lidern zuckten die Pupillen hin und her, hüpften schwarze Punkte auf und ab. Sie drehte sich zur Wand, aber es half nichts. Das Gesicht des toten Cettini kehrte zurück, er blutete, Speichel lief ihm aus dem Mund, er versuchte eine Hand zu heben. Schlaff fiel sie wieder zurück.
    Warum musste der Journalschreiber sterben? Was würde die Witwe Feminis mit dem Laden ihres verstorbenen Mannes machen? Was hatten die Überfälle der letzten Wochen mit all dem zu tun? Seit Kurzem schien es besonders Dalmontes Spedition zu treffen, Farina dagegen nur einmal. Zumindest hatte man von keinen weiteren Diebstählen dort gehört. Was war das für ein Mensch, dieser Farina, der Herrn Dalmonte frechweg des Diebstahls bezichtigte? Sie kannte ihn nur vom Sehen.
    Mit einem Ruck fuhr Anna hoch. So etwas musste sich der alte Herr nicht gefallen lassen!
    Sie konnte nicht mehr länger hier herumliegen, sie musste etwas tun. Irgendetwas. Sie zog sich ihr Wolltuch über die Schultern und setzte sich auf die Bettkante. Die abgetretene Maserung der Bodendielen schimmerte blank, das Astloch unter ihren Füßen war so groß, dass sie ein Acht-Albus-Stück darin hätte verstecken können. Jeder Knochen tat ihr weh, die wenigen Stunden Schlaf hatten keine Erholung gebracht. Aber sie stand auf, wusch sich das Gesicht über der Waschschüssel, zog sich an und ging hinunter in die Küche. Im Treppenhaus roch es nach frisch gekochtem Kaffee. Johanna hatte also auch nicht länger schlafen können.
    Vier Fässer Moselwein an Kommissionär Gambetti in Rotterdam.
    Nach Amsterdam für van Borch drei Ballen Seide, zweiunddreißig Formen für Wachskerzen und ein Fass mit Bologneser Wurst.
    Spanischer Senf, Fischbein, Korinthen, Honig, Unschlitt und ein Zentner Stockfisch für das Frankfurter Handelshaus Guaita.
    Anna beeilte sich, die Warenpapiere zusammenzustellen.
    Noch die drei Säcke Kaffee für Huber in Nürnberg. Per Frachtpost.
    Sie nahm einen Schluck heiße Schokolade, die sie sich zur Stärkung aus der Küche geholt hatte, und pries den Himmel, dass Dalmontes Speditions- und Kommissionshandel ihr diese paradiesische Köstlichkeit hin und wieder möglich machte. »Lekkerbekje!«, hatte ihr Vater immer zu ihr gesagt, als sie noch ein Kind war. Sie kratzte mit dem Löffel die letzten Tropfen aus der Tasse. Am liebsten hätte sie sie mit der Zunge ausgeleckt.
    Jetzt nur noch die Berechnung von Zoll und Steuern, die Kranen- und Waagegebühren, Schreiber- und Trägerlöhne, Briefporto und die Provision. Fertig.
    Sie wollte früh aufbrechen, früher als sonst, um danach Zeit zu haben. Sie rief Resa, die sie begleiten sollte. Als es von Sankt Maria Lyskirchen elf schlug, hatten sie zwei Körbe vollgepackt mit Nüssen, Pomeranzen und Bündeln von getrocknetem Rosmarin und Kamille. Die Köchin hatte ein großes Stück geräucherten Aals fest in sauberes Tuch geschlagen und obenauf gelegt. Frau Gertrude kam mit einer Flasche Wein und frischem Brot.
    Â»Da habt ihr gut zu schleppen. Resa, binde dein Brusttuch fester! Immer wieder muss ich dir das sagen. Mach es langsam, mi Leevche «, wandte sie sich dann an Anna, »… und grüß mir et Jannche . Ich hoffe, es geht ihr bald wieder besser.«
    Draußen lag Frühling in der Luft. Kinder jagten sich lachend und kreischend durch den Filzengraben. Der Schuhmacher im Haus gegenüber arbeitete unter der weit geöffneten Tür seiner Werkstatt, Frauen standen zusammen und schwatzten, man konnte meinen, die Tagesarbeit sei schon getan. Nur Hermine Gehlen kauerte auf den Stufen eines verwahrlosten Hauses, im Schoß ein winziges Bündel Kind, das vor sich hin jammerte. Neben der Mutter saß mit ausdruckslosen Augen Lisbeth und lutschte am Daumen. Nachbarn, die vorbeikamen, warfen den dreien aus den Augenwinkeln scheele Blicke zu, und wenn sie dann glaubten, außer Sichtweite zu sein, steckten sie zischelnd die Köpfe zusammen.
    Â»Das wird noch ein böses Ende mit ihr nehmen.«
    Â»Den Ältesten haben sie heute Nacht bei den Hübschlerinnen aufgegriffen. Mit gerade mal vierzehn!«
    Anna hatte die letzten Worte mitbekommen. Sie setzte ihren Korb ab und wischte sich die Haare aus der Stirn. Es würde warm werden, und der Weg bis hinter das Dörfchen

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