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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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Hals zu husten. Er hatte genug gehabt von Großhändlern, die seinen Bauchladen mit billigem Krimskrams bestückten und ihn dabei übers Ohr hauten. Er wollte nicht mehr länger durch fremde Gegenden ziehen, sich von Marktaufsehern verjagen und von Gauklern und Gänglern ausnutzen lassen. Er wollte sein eigener Herr sein und Geld machen. Geld, wie all die anderen. All diese Farinas, Dalmontes, Guaitas, Mellerios und wie sie alle hießen. Die es in Frankfurt und Mainz, in Köln, Düsseldorf und Amsterdam zu vermögenden Kaufleuten, Hofschranzen und Haus- und Grundstückseigentümern gebracht hatten. Ein paar waren sogar Schöffen und Ratsherren geworden. Alle lebten sie in Saus und Braus, einige hatten deutsche Frauen geheiratet, und zu Hause im Vigezzotal erzählte man sich von ihrem sagenhaften Reichtum. Weiß der Himmel, wie sie das geschafft hatten. Giacomo spuckte aus, als er daran dachte. Sie waren doch alle aus demselben Elend gekommen wie er, aus den Bergen, wo im Sommer nichts wuchs und die Leute im Winter verhungerten. Was hatten die, was er nicht hatte?
    Nein, er hatte sich nicht länger herumschubsen lassen wollen. Und ließ es schon wieder mit sich machen.
    Seit vierzehn Tagen beschaffte er Freier für Cristina, Griet und die anderen Mädchen, die in der Spielmannsgasse arbeiteten. Auf Bauernmärkten vor Köln verhökerte er Waren, die der zwielichtige Wirt aus dunklen Ecken zauberte, Frauenkleider, Tücher, Bänder, auch Besteck, Gold- und Silberringe. Nachts stand er Schmiere für den Bastard und dessen Konsorten, wenn sie irgendwo ein offenes Fenster zum Einsteigen fanden oder ein Haus, dessen Bewohner verreist waren. Immerhin gab es nach erfolgreichen Raubzügen ein feuchtfröhliches Gelage, denn eines musste man dem Dottore zugestehen: Er ließ sich nicht lumpen. Dafür, dass die anderen den Kopf für ihn hinhielten, erlaubte er ihnen, gut zu leben. Und manchmal kam Griet ihn in seinem Stall besuchen. Sie schielte. Doch wenn er die Kerze ausblies, sah er es nicht. Wenn er aber allein dort lag, nachts, und der Hühnergestank ihm den Magen umdrehte, wusste er, dass er vom Regen in die Traufe geraten war. Nur, wovon sonst sollte er leben?
    Einmal noch, es war schon Abend gewesen, war er ein zweites Mal zu Dalmontes Haus gegangen. Die Haustür war geschlossen. Im Vorhaus brannte Licht, ein Schatten fiel an die Wand, vielleicht der der jungen Frau, die ihm damals die Tür gewiesen hatte.
    Aber dann hatte er doch nicht geklopft. Es gab keinen Grund zu der Annahme, dass der Alte freundlicher wäre als Farinas Diener. Oder seine hochnäsigen Landsleute andernorts, wo er am Anfang gehofft hatte, dass sie ihm Arbeit gäben, weil sie aus demselben Tal waren. Und selbst wenn dieser Dalmonte eine Ausnahme wäre, es würde ihm nichts nutzen. Früher oder später würden der Bastard und seine Männer ihn finden und ihn zwingen, den Spediteur auszunehmen. Und wenn er nicht wollte wie sie, würden sie kurzen Prozess mit ihm machen. Kein Hahn würde nach ihm krähen.
    Antonio und Gernot fielen ihm ein, zwei Kumpane, mit denen er ein paar Wochen lang den Hunger geteilt hatte. »Wir nehmen, was wir brauchen« war ihre Lebensphilosophie gewesen. Zuerst waren sie abends mit einem Schinken oder einem prall gefüllten Geldbeutel, später immer häufiger mit Schmuck und Waffen in die baufällige Scheune gekommen, in der sie notdürftig lebten. Als Giacomo sie nicht mehr auf ihren Diebeszügen begleiten wollte, schlugen sie ihn zusammen und ließen ihn liegen. Dass er nicht starb, verdankte er einer Bäuerin, die ihn aufgelesen hatte, bis dem Bauern nach ein paar Tagen der fremde Esser zu viel wurde und er ihn aus dem Haus warf.
    Er sollte die Stadt verlassen, sie brachte ihm kein Glück. Der Gedanke war ihm schon mehrmals gekommen, wenn er in den Fischerdörfern am Rhein hausieren ging oder in den Weilern entlang des Vorgebirges. Wie lange bräuchte er bis Düsseldorf? Oder bis Maastricht? Aber würde er dort jemanden finden, der ihn nicht vors Schienbein treten würde, wenn er an die Tür klopfte? Dann dachte er an die vollgefüllte Schüssel, die Griet täglich für ihn beiseite stellte, und an ihren warmen Körper, und er machte sich wieder auf den Weg zurück nach Köln.
    Es war nur ein kleines Päckchen, das er heute ins Gartenhaus bringen sollte. Der Bastard hatte es ihm in die

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