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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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Fragen die Köpfe heiß redeten. Dalmonte freute sich schon darauf, es ließ sich mit beiden immer so trefflich streiten.
    Er kniete nieder, bekreuzigte sich und betrat die Bankreihe.
    Â»Farina, caro Farina !«
    Dalmonte, der eben mit den anderen Gläubigen nach dem Gottesdienst die Kirche verließ, kam die helle Fistelstimme bekannt vor. Unwillkürlich wendete er den Kopf in die Richtung, aus der der Ruf kam.
    Auf dem Platz vor der Kirche stellten Männer gerade Tische auf, während die deutschen und italienischen Ehefrauen Schinken, Räucherwürste und Käse aus ihren Körben holten. Giuliana, die Frau des Maurers Conti aus Coimo, hatte zur Feier des Tages ihr altes Hochzeitskleid mit den Borten und das geblümte Leibchen aus der Truhe geholt. Silbrig glänzende Schnüre hielten es über der Brust zusammen. Unter der rot bestickten Schürze blitzte ein langer schwarzer Rock hervor. Ihr einziges Zugeständnis an die neue Heimat war das Blumenkränzchen im Haarknoten, das sie gegen das Kopftuch eingetauscht hatte. Sie und Dalmontes Köchin hatten in der letzten Woche unzählige Laibe Schwarzbrot gebacken, die sie jetzt anschnitt. Die Mailänderinnen und Venezianerinnen beäugten die dunklen Scheiben mit Argwohn. Ein merkwürdiges Völkchen, diese Leute aus den Alpen. Mit seltsamen Essgewohnheiten.
    Â»Carissimo!«, ertönte die Stimme jetzt ein zweites Mal. Dem kleinen Mann, der mit wedelnden Armen auf Farina zulief, spannte sich die Weste unter dem Justaucorps gefährlich über seinen Kugelbauch. Antonio Crotoni war lange Zeit als begnadeter Stuckateur durch halb Europa gezogen und kannte fast alle Königs- und Fürstenhöfe. Seit sein Alter und seine Leibesfülle es ihm unmöglich machten, noch auf schwankenden Gerüsten herumzuturnen, hatte er sich nach Bonn zurückgezogen, wo er für seine Freunde rauschende Feste gab und weit über seine Verhältnisse lebte. Im ganzen Rheinland gab es niemanden, der noch nicht von Crotoni gehört hatte, und auch Dalmonte war zwei- oder dreimal dessen Einladung gefolgt, wenngleich er jedes Mal die unbequeme Fahrt mit der Überlandpost verfluchte und sich beharrlich weigerte, dem Kutscher ein Trinkgeld zu geben. Aber sehen und gesehen werden war auch im Speditionshandel alles.
    Â» Mon très cher Farina !« Crotoni umarmte den Kölner herzlich, auch wenn Dalmonte fand, dass er es ein wenig übertreibe mit der Herzlichkeit. Andere, fast alles Lombarden, aber auch ein paar Savoyer und Mailänder, die zum Teil von weither angereist waren, gesellten sich zu den beiden. Die meisten hatten sich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen, alles sprach wild durcheinander. Auf Dalmonte wirkte der Schwall der italienischen Sprache berauschend wie ein ganzer Krug Rheinwein. Er entschuldigte sich bei Merckenich und Forsbach – »nur einen Augenblick!« – und trat zu seinen Landsleuten.
    Â»â€¦Â hast du doch Monsieur Beaufort dein Aqua mirabilis zu einem unerhört günstigen Preis verkauft. Unter uns, Farina, was muss ich tun, um auch zu solchen Vergünstigungen zu kommen?«, hörte Dalmonte gerade noch Crotoni zu Farina sagen. Er spitzte die Ohren. Bis nach Bonn verkaufte der Unbekannte also schon sein falsches Heilwasser. Gespannt wartete er auf Farinas Reaktion.
    Der lachte.
    Â»Ich kenne dich, mein Freund. Du willst nur billig an mein Wasser kommen. Aber ich geh dir nicht auf den Leim. Ich habe Monsieur Beaufort kein Aqua mirabilis verkauft. Noch nicht.«
    Â»Farina, mon cher, verkauf mich nicht für dumm. Ich war doch selbst dabei, als der Bursche kam und die Flaschen ablieferte. Drei Bouteillen hatte Beaufort bestellt. Morgen früh mache ich dir meine Aufwartung, dann reden wir in aller Ruhe über einen guten Preis.«
    Mit einer Verbeugung wollte Crotoni sich verabschieden, aber Farina hielt ihn zurück.
    Â»Mach keine Scherze, Crotoni! Jemand verkauft mein Aqua mirabilis in Bonn?«
    Er war bleich geworden. Das ist nicht gespielt, dachte Dalmonte.
    Â»Nicht nur in Bonn«, warf ein Mann ein, den Dalmonte nicht kannte. Er war einfach gekleidet und sprach italienisch mit Turiner Akzent. »Ich arbeite für einen Halfen in Brühl, da stand auch neulich einer auf dem Markt und hat Aqua mirabilis für ein paar Albus verkauft. Das Original, wie er sagte. Die Leute haben es ihm aus der Hand gerissen.«
    Als er sah, wie Farinas Gesicht

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