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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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beharrte Dalmonte.
    Â»Ich danke dir.«
    Â»Was ist mit Cettini?«
    Â»Ich habe nichts damit zu tun.« Jetzt richtete Farina sich auf. »Du kannst es mir glauben, Dalmonte, oder auch nicht, aber ich habe mit Cettinis Tod nichts zu tun.«
    Sie saßen still nebeneinander, sie schwiegen beide.
    Â»Vielleicht hätten wir nie hierherkommen sollen«, sagte Farina leise. »Das ist nicht unser Zuhause. Wann warst du das letzte Mal im Vigezzo?«
    Â»Vor sieben Jahren, beim Tod meiner Mutter, sie ist sehr alt geworden. Sogar meine Frau ist mitgekommen.«
    Â»Ich war nie mehr dort, seit ich weggegangen bin.« Farina rieb sich die Augen. Tonino kam heran und tuschelte ihm etwas ins Ohr. Farina verneinte und winkte ihn fort.
    Â»Ich habe keine Familie«, sagte er, aber Dalmonte hatte den Eindruck, er sprach mehr zu sich selbst als zu ihm. Plötzlich tat ihm der Mann leid.

NEUNZEHN
    Â»Eure Schneiderin versteht ihr Handwerk.«
    Diedrich von Merzen ergriff Annas Hand und beugte sich darüber. In seinen Augen las sie Bewunderung. Sie schwankte zwischen Freude und Verschämtheit. Als die Bedienung eben den Teller mit Konfekt auf den Tisch stellen wollte, nahm von Merzen ihn ihr aus der Hand und reichte ihn Anna. Formvollendet. Die Augen der Kellnerin funkelten. Sie knallte die Zuckerdose auf den marmornen Kaffeehaustisch, das Schokoladenkännchen, das Geschirr für Anna. Die Tasse schepperte im Unterteller. Ein Löffel flog zu Boden. Sie tat, als ob sie es nicht gemerkt hätte. Von Merzen winkte sie ungeduldig fort. Einen Augenblick lang schien es, als ob sie seinem Befehl nicht nachkommen wollte. Sie öffnete den Mund, schloss ihn aber sofort wieder, presste die Lippen fest aufeinander und rauschte davon.
    Anna strich sich über den Manteau, der in üppigen Falten auf den Boden fiel. Sie fühlte sich noch ein wenig unbehaglich in der neuen Robe. Und angespannt. Eigentlich war es unverantwortlich von ihr, den Nachmittag hier im Kaffeehaus zu verbringen. Vor fünf Tagen, am Montag nach dem Festgottesdienst, hatte Dalmonte die Geschäfte der Spedition in ihre Hände gelegt und war zur Frühjahrsmesse nach Frankfurt abgereist. Das erste Mal, dass sie für alles verantwortlich war, auch wenn Frau Gertrude ihr half, so gut es eben ging. Anna fühlte sich allein gelassen. Obgleich sie den Spediteur verstand. Er wollte, er musste neue Kontakte zu alten Freunden knüpfen, Kaufleute aus Basel, Bozen oder Straßburg treffen, neue Handelswege erschließen, um das Geschäft wieder zu beleben. Der überraschend angekündigte Besuch des Herrn von Merzen war Anna völlig ungelegen gekommen, aber wie hätte sie ihn abweisen sollen, ohne undankbar zu erscheinen?
    Er hatte darauf bestanden, sie zur Näherin zu begleiten, um das fertige Kleid abzuholen. Frau Gertrude hatte ihr gut zugeredet und Resa beauftragt, mit den beiden zur Werkstatt mitzugehen. Tag und Nacht musste die Schneiderin gearbeitet haben. Vier Wochen hatte sie zu Anna gesagt, als die den Stoff gebracht hatte. Vier Wochen mindestens. Ein so wundervoller Damast verdiene Aufmerksamkeit, da dürfe man nichts übereilen, es wäre schade um das teure Stück. Und jetzt waren noch nicht einmal zwei Wochen vergangen. Mehr als ein Nähmädchen musste ihr zur Hand gegangen sein – und von Merzen dürfte nachgeholfen haben.
    Als die Schneiderin sie aus der Ankleide hinausschob, damit sie sich ihrem Heirater, wie sie sich ausdrückte, zeige, hatte der Spediteur in die Hände geklatscht.
    Â»Ich wusste, dass Euch diese Farbe steht«, rief er. Es war offenkundig, dass er mit sich außerordentlich zufrieden war.
    Â»Und diese Blumen! Der Ignorant von Händler wollte mir zuerst etwas anderes aufschwatzen, aber ich weiß, dass ich mich auf meinen Geschmack verlassen kann.« Er stand von der Chaiselongue auf, auf der er die letzte halbe Stunde geduldig gewartet hatte, und verbeugte sich vor Anna. Sie war sich nicht sicher, ob seine Begeisterung wirklich ihr galt.
    Er wollte, dass sie das neue Gewand anbehielt. Die Schneiderin zwinkerte Anna zu, packte das Leinene in ein Tuch, verschnürte das Bündel und drückte es einem Jungen mit kahl geschorenem Kopf in die Hände. Von Merzen steckte dem Burschen noch einen Stüber zu, bevor dieser die Werkstatt verließ, um Annas altes Kleid in den Filzengraben zu bringen.
    Â»Und dass du mir das Einwickelzeug auch ja wieder

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