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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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unglücklichem Sturz vom Schiff verlauten lassen. Zumindest war ihr nichts bekannt. Dalmonte vermied es, den Namen seines Landsmanns zu erwähnen, wenn es nicht aus geschäftlichen Gründen unumgänglich war. Was sollte sie tun? Wie weitermachen? Auf den Bürgerhauptmann war kein Verlass mehr, der hatte es längst aufgegeben, Schimären nachzujagen, wie er überall herumposaunte. Außerdem hatte der Rat gerade beschlossen – zum wievielten Male eigentlich schon? –, den Kampf gegen ausstädtische Bettler, Dirnen und Hausierer aufzunehmen, um verbotenen Kaufhandel ein für alle Mal in den Griff zu bekommen und die Stadt von zwielichtigen Gestalten zu säubern. Jeder Wachtmeister und Pfortenwächter, jeder Obrist und Bürgerhauptmann wurde dafür benötigt, und Simon Kall hatte sich mit Verve in die neue Aufgabe gestürzt. Hart wollte er durchgreifen. Gerecht, aber hart. So verstand er seine Aufgabe. Das sollte sich in Ratskreisen herumsprechen. Er wollte es weiterbringen. Am liebsten bis in den Rat.
    Anna zuckte zusammen. Sie hatte Johanna nicht kommen hören. Leise stellte die Köchin ihr eine Tasse heißer Schokolade auf den Schreibtisch.
    Â»Ich habe Rosinenplatz vom Bäcker geholt.« Hinter ihrem Rücken zauberte sie einen Teller mit drei Scheiben des Hefegebäcks hervor. Sie waren dick mit Butter und Apfelkraut bestrichen.
    Â»Iss, du wirst lang nicht so hungrig«, sagte sie. »Hat schon meine Großmutter gesagt«, setzte sie im Brustton der Überzeugung hinzu.
    Anna musste lachen. Sie schob die Rechnungen und Warenverzeichnisse, die Listen mit Namen von Händlern, Lieferanten und Schiffsmeistern und den großen Bogen mit dem Terminüberblick zur Seite und biss genüsslich in das süße Brot.
    Vom Lager kamen die Stimmen von Matthias und Frau Gertrude, die sich, während Dalmonte verreist war, um die Waren und ihren Transport zum Stapel und zu den Kaufhäusern kümmerte. Draußen im Hof sang Bonifaz. Und doch kam Anna das Haus still vor, totenstill. Sie wünschte, Moritz würde ihr mit seinem ständigen Geplapper, seinen neugierigen Fragen, seinem lärmenden Hin- und Hergerenne auf die Nerven gehen.
    Johanna hatte sich Anna gegenübergesetzt.
    Â»Und?«
    Â»Es läuft. Ich habe Severin vorhin mit mindestens zehn Briefen losgeschickt. Heute haben wir Montag, den sechsten Mai. Morgen will ich anfangen, bis Samstag könnte ich durch sein mit allen Besuchen. Hoffe ich. Dann werden wir sehen, ob es geklappt hat.«
    Â»Das wird schon klappen. Zieh dein schönstes Kleid an, das Hellblaue vom Herrn von Merzen, und setz das liebreizendste Lächeln auf, das du hast, dann wird dir keiner der Herren Nein sagen können. Du kannst mir glauben, ich kenn die Männer«, sagte sie noch, als sie Annas zweifelnde Miene sah.
    Johanna stemmte sich leise stöhnend hoch.
    Â»Früher habe ich gar nicht gewusst, dass ich einen Rücken habe«, ächzte sie, während sie zur Tür ging. »Wenn du noch was brauchst, gib mir Bescheid.«
    Anna nahm einen Schluck von der Schokolade. Sie schmeckte leicht bitter und lange nicht so sahnig wie im Kaffeehaus. Die Köchin würde noch ein wenig üben müssen, bis ihr das Getränk so gut gelingen würde wie dem Schokoladenmeister in der Ehrenstraße. Etwas mehr Zucker könnte Johannas Schokolade vertragen, auch ein wenig Zimt und eine Prise Nelkenpulver. Aber Anna war bereit, jeden Versuch mitzumachen, bis die Köchin es zur Meisterschaft gebracht hatte. Und sie würde Janne beim nächsten Besuch eine Schokoladentafel mitbringen und mit ihr gemeinsam so lange über dem Feuer wirtschaften, bis sie das Geheimnis der besten Zubereitung herausbekommen hätten. Es tat ihr leid, dass sie wegen der vielen Arbeit heute ihren Besuch in Kriel hatte absagen müssen. Ausgerechnet heute. Sie hätte Janne so gern von von Merzens Heiratsantrag erzählt und von dem Welschen, wie er ihr ausgewichen war. Ganz klar, der Mann hatte Dreck am Stecken. Selbst wenn er nicht einer der Schurken war, die Tilman gesehen hatte.
    Anna klopfte energisch mit beiden Händen auf ihren Schreibtisch, wie um sich zu ermahnen, weiterzuarbeiten. Rasch sortierte sie die vor ihr liegenden Papiere. Die Abschriften der Briefe, die sie Severin am Morgen zum Austragen gegeben hatte, legte sie zwischen zwei Pappdeckel und verschloss diese mit einer Kordel.
    Nur mit der

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