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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Reategui
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ein großes Herz, mein Kind, und viel Mut, diesen Menschen hier aufzunehmen. Noch dazu, wo Dalmonte nicht zu Hause ist! Darf ich dir sagen, dass ich dich bewundere?«
    Er nahm ihre Hand und strich zärtlich über den Ringfinger ihrer rechten Hand.
    Â»Ihr erwartet Signor Dalmonte für morgen zurück, nicht wahr? Und wann wird dein Vater hier sein?«
    Anna ließ ihre Hand in der von Merzens. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Draußen zwitscherten Vögel. Sie hörte Kindergeschrei auf der Straße. Johanna sang in der Küche. Sie schlug die Augen wieder auf und lächelte den Mann, der um ihre Hand anhielt, an.
    Â»Ich muss mich fertig machen«, sagte sie. »Ich wollte heute Nachmittag Noithuven und Wassen aufsuchen.«
    Â»Mach das, meine Liebe, ich wünsche dir Glück.«
    Von Merzen zog sie an sich, sanft drückte er ihr einen Kuss ins Haar.
    Sie hatte kein Glück mit ihren Besuchen. Die Herren waren nicht zu Hause. Hieß es. Anna glaubte es nicht. Als der Hausdiener von Noithuven ihr die Tür öffnete, hörte sie im Obergeschoss aufgeregtes Wispern, gleich darauf verhaltenes Türenschlagen. Sie hätte schwören können, dass die eine Stimme dem Seilermeister gehörte. Auch Wassens Magd behauptete, ohne mit der Wimper zu zucken, ihr Herr sei ausgegangen. Aber sein Spazierstock, auf den er wegen seiner kranken Hüfte angewiesen war, steckte im Schirmständer. Mag sein, dass er einen zweiten besaß, gestand Anna ihm zu und beschloss, sich nicht aufzuregen.
    Giacomo lag im Bett, als sie mit Severin zurückkam. Johanna hatte darauf bestanden und ihn den ganzen Tag über mit Hühnerbrühe und Fiebertee versorgt. Als Anna den Kopf durch die Tür steckte, richtete er sich halb auf.
    Â»Ich mach Euch viel Umstände.«
    Anna winkte ab. »Morgen kommt Herr Dalmonte zurück. Er wird dir helfen. Erzähl, wann bist du aus dem Vigezzotal weggegangen? Dalmonte wohnt schon seit Jahrzehnten hier, aber je älter er wird, desto mehr Sehnsucht hat er nach seinen Bergen.« Anna geriet ins Träumen, während sie weiterredete. »Vor ein paar Jahren ist er noch einmal hingereist. Ich würde auch so gern einmal die Berge sehen …«
    Nur ein einziges Mal war sie mit den Eltern bis nach Basel gekommen. Da hatte sie eine Ahnung vom Süden bekommen. Wolken, die an Berge stießen. Tannenduft in der Nase. Orangengeschmack auf den Lippen. Giacomo musste verstehen, wovon sie redete. Aber er war schon wieder eingeschlafen.
    Im Vorhaus wartete Ratsherr Merckenich auf sie. Sie freute sich, von Merzen hatte also schon mit ihm geredet. Vielleicht würde doch alles viel schneller gehen, als sie glaubte.
    Â»Ich dachte, ich muss bei dem armen verwaisten Kind mal nach dem Rechten schauen«, begrüßte sie der Ratsherr und verbeugte sich. »Obwohl du ja kein Kind mehr bist, aber so ganz allein einem großen Haus vorzustehen, ist keine einfache Aufgabe. Wie geht es dir?«
    Das Lob tat Anna gut. »Johanna, bringst du unserem Gast etwas zu trinken?«, rief sie in die Küche und bat den Ratsherrn, sich zu setzen.
    Â»Du bist schon eine richtige Hausfrau. Von Merzen ist zu beneiden«, spaßte er, und sie konnte nicht verhindern, dass sie rot wurde. »Ich hoffe, er hat dich in diesen Tagen nach besten Kräften unterstützt.«
    Â»Gerade vorhin war er hier. Er wollte mit Euch sprechen. Wegen Farina.«
    Â»Mit mir? Wegen Farina?«
    Â»Farina hat ihm gegenüber zugegeben, dass er die Diebstähle und die Morde eingefädelt hat. Um sich an Dalmonte zu rächen.«
    Merckenich stellte vor Überraschung den silbernen Becher wieder zurück, aus dem er gerade trinken wollte.
    Â»Das soll Farina gesagt haben? Zu von Merzen? Wann?«
    Â»Heute Morgen. Er hat ihn heute Morgen aufgesucht, gleich danach kam er hierher.«
    Â»Heute Morgen?«
    Â»So sagt er.«
    Â»Farina ist gestern nach Frankfurt abgereist.«
    Es wurde ganz still im Raum. Anna hielt ihre Hände im Schoß gefaltet, sie rührte sich nicht. Droben im Kontor hörte man den Papagei traurig vor sich hin krächzen, er vermisste seinen Herrn.
    Â»Dann hat von Merzen gelogen«, sagte Anna. Weiter konnte sie nicht denken.
    Â»Es tut mir leid, Anna. Er ist dein Verlobter. Das wird ein Missverständnis sein, das wird sich klären.«
    Er stockte betreten.
    Anna stand auf und trat ans Fenster. Sie sah draußen

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