Filzengraben
zu lärmen, und sein Zetern bohrte sich durch ihre Hände ins Gehirn.
Anna fuhr hoch, das Gekreische hielt an. Bis hier hoch unters Dach hörte sie das Krakeelen des Papageis. Und dann auch Schreie. Die Stimmen von Matthias und Severin. Johannas Schritte auf der Treppe. Sie sprang aus dem Bett, warf sich einen Umhang über und rannte nach unten.
Schon nach wenigen Stufen roch sie es. Dann sah sie es auch, einen flackernden Schein im Vorhaus. Die Flammen leckten an den Vorhängen hoch, auf ihrem Schreibtisch loderten Bücher und Papiere, die ganze Arbeit der letzten Tage brannte lichterloh.
Alle Bewohner waren auf den Beinen. In fiebriger Eile hatten sie Behälter herbeigeholt, Eimer, Schüsseln, Zuber, Suppentöpfe. Was für ein Glück, dass es im Hinterhof den Brunnen gab, der Dalmontes Haus und die Nachbarschaft mit Wasser versorgte. Matthias rannte hin und her, wies jedem seinen Platz zwischen Hof und Vorhaus zu, damit die gefüllten GefäÃe lückenlos von Hand zu Hand gereicht werden konnten, wo der Letzte, Severin, sie verzweifelt in die Flammen goss. Aus dem Nebenhaus waren Männer und Frauen gekommen, die mithalfen. Kinder rannten, so schnell sie konnten, mit den leeren Eimern und Zubern wieder zurück zum Pütz. Bonifaz rettete die hölzerne Madonna von Re am Treppengeländer und schleppte sie in den Hof. Jemand schrie, die Brandknechte vom Holzmarkt seien schon unterwegs. Anna hatte sich zwischen der Köchin und dem alten Bonifaz eingereiht. Einen Wassereimer nach dem anderen wuchtete sie weiter. Bald spürte sie ihre Arme nicht mehr, auch nicht den Rücken, längst war ihr Umhang zu Boden gerutscht. Es war egal. Jemand öffnete dem Brandherrn und seinen Leuten die Eingangstür. Sie kamen mit Ledereimern und Feuerhaken, um die brennenden Folianten aus den Bücherschränken zu reiÃen. Zwei Männer machten sich an der Spritze zu schaffen, dann schoss Wasser aus dem Schlauch.
Anna atmete auf. Sie hatten Glück im Unglück gehabt. Zwar würde der eklige Brandgeruch tagelang in allen Stockwerken hängen, sodass einem übel werden konnte, aber das Vorhaus lieà sich säubern und neu tünchen, die Vorhänge ersetzen. Das Wichtigste war, dass niemand zu Schaden gekommen war. Anna blickte sich um. Wo war Giacomo? Sie konnte ihn in dem Durcheinander der Leute nirgends finden. Und wo waren die Wachen geblieben, die Simon Kall im Filzengraben aufgestellt hatte?
»Warum haben die die Brandstifter nicht erwischt?«, schimpfte auch Bonifaz. Den meisten wurde jetzt erst bewusst, welcher Gefahr sie entronnen waren. Todmüde, aber viel zu aufgewühlt, um sich wieder schlafen zu legen, drängte sich alles in die Küche. Nur Anna blieb im Vorhaus beim Brandherrn, um mit ihm zwischen verkohltem Holz und glitschigen Löschwasserpfützen nach der Ursache des Feuers zu suchen.
»Wir haben drei Stockreste gefunden, die von Fackeln stammen«, erläuterte der Brandherr und zeigte ihr die Ãberreste von Holzstangen. Es passte genau, mit der ersten wurden die Papiere auf dem Schreibtisch angezündet, die zweite lag noch im Bücherschrank und die letzte am Boden, dort, wo der dicke Vorhang gehangen hatte. Von dort war das Feuer auf das Deckchen des Besuchertischs und auf die Bezüge der dazu gehörenden Sessel übergesprungen. Der Stoff war hinüber, aber Matthias und Severin hatten die Gestelle retten können. Der oder die Brandstifter mussten schnell gewesen sein, so schnell, dass alles leicht Entflammbare brannte, bevor die Knechte es bemerkten.
»Schaut Euch das hier an!« Der Brandherr zog Anna zum rechten Fenster. Einige wenige Scheiben waren durch die Hitze geborsten. Um den Verschluss herum aber waren Glas und Holzsprossen mit Gewalt herausgebrochen, hier waren keine Spuren des Brandes zu erkennen. Der Flügel stand offen.
»Sie haben die Fenster eingeschlagen und dann von innen den Riegel geöffnet. Hineinklettern, die Brandfackeln gezielt verteilen und auf demselben Weg wieder verschwinden, dürfte ein Kinderspiel gewesen sein. Der Wind hat das Seine dazu beigetragen, dass das Feuer gut brannte, vor allem hier am Fenster, den Vorhang hoch.«
»Ich habe etwas klirren hören.« Anna erinnerte sich an das Geräusch, dem sie keine Bedeutung beigemessen hatte. »Bevor der Papagei zu kreischen anfing.«
Wieso hatten die Knechte nichts gehört?
»Ihr könnt froh sein, dass der
Weitere Kostenlose Bücher