Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Killer sich so gut mit Computern auskennt, wie wir glauben ...«
»... findet er auch das heraus. Er weiß schließlich, wer sie ist«, Hermanns Stimme wurde tonloser, »und wo sie wohnt.«
»Scheiße!« Clara zog an ihren Fingern. »Dann hat sie damit ihr Todesurteil unterschrieben. Der Typ hatte die Nummer, dann hat er auf Facebook gecheckt, ob sie tatsächlich am Wochenende weg ist und bis wann, dann hatte er die Verabredung irgendwo ›auf einen Drink‹, und dann hat er vielleicht in ihrem Bahn-Konto gesehen, wann sie wiederkommt. Und so konnte er alles vorbereiten.«
»Falls es der Killer ist.« Hermann blickte auf das Foto auf dem Bildschirm. »Einen Typen, der Frauen ermordet, den Mord filmt und als CD verschickt, stelle ich mir anders vor.«
»Mit Hörnern und Klauen und feuerspuckend, nicht wahr?« Clara musste unfreiwillig lachen. »Es ist immer der Vorteil von Killern, dass niemand glaubt, dass sie Killer sind.«
Beide schauten wie hypnotisiert auf den Bildschirm, auf das freundliche, markante, braun gebrannte Gesicht mit den dunklen Augen und den schwarzen Haaren, schauten auf die Mails von Jasmin Peters, auf die Nachrichten bei Dategate und auf die IP-Protokolle. So viele Daten, dachte Clara, und keine einzige Lösung. Sie merkte, wie sich die Müdigkeit allmählich Bahn brach, wie ihre Lider schwer wurden und die Bilder auf dem Monitor und der Text in den Nachrichten verschwammen. Sie sah sich an einem Strand, sah einen freundlichen Jungen auf sie zugehen. »Hallo«, sagte der Junge, »ich arbeite in einer Strandagentur. Wir verkaufen Handys und wissen, wo du wohnst ...«
Schwere Schritte erklangen auf dem Flur. Claras Traum vom Strand löste sich auf wie Rauchschwaden.
Die Tür flog auf, und das Gesicht von Kriminaldirektor Winterfeld erschien in der Tür.
»Laden und entsichern«, rief er und schlug mit der Faust in seine offene Hand. »Wir haben ihn!«
Clara war augenblicklich hellwach.
»Wenn alles gutgeht, nehmen wir diesen Käferfetischisten noch heute Abend hoch.« Winterfeld stand im Türrahmen, die Hände stolz in die Hüften gestemmt.
»Haben wir weitere Spuren?«, fragte Clara.
»Das will ich meinen.« Winterfeld grinste. »Wir konnten seine DNA zuordnen!«
31.
Winterfeld stand wie Julius Cäsar vor dem Einmarsch nach Rom in seinem Büro. Ein letzter Strahl der Abendsonne, die sich mühsam durch die tief hängenden Wolken arbeitete, fiel auf das Papier, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag, und verlieh ihm eine beinahe prophetische Note. Dabei war es nur ein Fax vom Gesundheitsamt, wie Clara am Briefkopf erkennen konnte, wenn auch eines mit der alles entscheidenden Information.
»Wir haben die DNA-Probe ans BKA geschickt, in der Hoffnung, dass die Blutentnahme nicht allzu lange her ist und die Daten schon proaktiv in den DNA-Speicher des BKAs eingegeben wurden. War Weinsteins Idee.«
»Und?«
»Der Mann heißt Jakob Kürten, achtunddreißig Jahre alt, wohnhaft in Kreuzberg, Oranienstraße zwanzig. Schauen Sie mal.«
Er zog ein weiteres Blatt hervor, diesmal vom Einwohnermeldeamt. Es zeigte ein Foto von Jakob Kürten.
»Jaques und Jakob!«, stieß Clara aufgeregt hervor. »Wir hatten recht!« Kürtens Foto vom Einwohnermeldeamt war nüchterner, doch man erkannte sofort, dass Jakob Kürten »Jaques« von Dategate war. Aus beiden Bildern blickte ihr ein junger Mann entgegen, hinter dessen freundlicher Fassade sich offenbar einer der bodenlosesten Abgründe auftat, die sich in der Psyche eines Menschen auftun konnten.
Clara überflog das Fax. »Die Charité«, murmelte sie.
»Ihm wurde im letzten Dezember in der Charité Blut abgenommen«, sagte Winterfeld. »Ein Assistent hat Blutprobe und DNA in der Datenbank gespeichert.«
»Warum? Hat er vorher etwas verbrochen?«
»Nein, aber er hat etwas in sich, was ihn zu einem Killer machen kann. Und das ist Grund genug, seine Daten zu speichern.«
»Und was ist das?«
»Jakob Kürten ist HIV-positiv.«
HIV-positiv? Claras Blick ging von Winterfeld zu Hermann, der ein wenig benommen dreinblickte. »Kann das ein Motiv sein?«, fragte sie. »Er hat sich angesteckt und will Rache nehmen?«
»Schon möglich.« Winterfeld reichte Clara und Hermann das Fax und fuhr sich durch die Haare. »Vielleicht hat er im Gegenzug vorher eine Menge Frauen angesteckt, doch irgendwann reichte ihm das nicht mehr. Irgendwann ...«
Clara beendete den Satz. »Irgendwann wollte er sie direkt töten und nicht indirekt durch das Virus. Sofort und nicht
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