Final Cut - Etzold, V: Final Cut
erst nach fünf Jahren.«
»Interessantes Täterprofil«, sagte Winterfeld.
»Weiß MacDeath schon davon?«, fragte Clara.
Winterfeld schüttelte den Kopf. »Der liegt zurzeit im Clinch mit Bellmann. Er will hier in Berlin bleiben wegen des Falls, während Bellmann sich darauf verlassen hat, dass er ihn bei der BKA-Präsentation in Wiesbaden unterstützt.«
Sein Telefon klingelte. Winterfeld griff zum Hörer.
»Ja? Ihr seid so weit? Wunderbar, in fünf Minuten draußen.« Er legte auf.
»Das MEK.« Er grinste. »Sie haben bereits die Wohnung in der Oranienstraße zwanzig observiert. Eben ist Licht in der Küche angegangen.« Er schnallte sich das Holster für seine Dienstwaffe um und ergriff seinen Mantel, der noch über einem Stuhl lag. »Unser Freund ist zu Hause – und kriegt gleich Besuch!«
»Ist ja ein richtiger Großeinsatz heute«, sagte Clara. »Ich hole meine Sachen. Fahren wir zusammen?« Winterfeld lächelte sein Lächeln des gütigen Lehrmeisters. »Wer kann dazu schon Nein sagen?«
»Eine Akte zu Kürten gibt es wahrscheinlich nicht?«, fragte Clara beim Hinausgehen.
»Nein.« Winterfeld schüttelte den Kopf. »Nichts. Nicht mal bei Rot über die Straße gegangen. Bis auf die HIV-Erkrankung gar nichts. Völlig unauffällig.«
»Klingt nach unserem Mann«, sagte Clara.
32.
Alles war wie heute Morgen, und trotzdem war es anders. Der dunkle schmutzig graue Himmel, die schwarz gekleideten, maskierten Beamten des Sondereinsatzkommandos, die mit dem Rammbock und den Heckler & Koch-Gewehren die Treppe in den dritten Stock hinaufstiegen und deren Stiefel im Treppenhaus widerhallten. Winterfeld und Hermann, gefolgt von Clara, die entsicherten Dienstwaffen in den Händen. Das Treppenhaus, in dem zwei Bewohner argwöhnisch aus ihren Haustüren schauten, während ein weiterer sich respektvoll und verängstigt an die Wand drückte und den Weg freigab.
Clara spürte, wie ihr Herz schlug. Diesmal mussten sie mit Gegenwehr rechnen. Diesmal war jemand in der Wohnung – jemand, der eine Frau getötet hatte, vielleicht mehr als eine. Jemand, der eiskalt und skrupellos war und dem es vermutlich nichts ausmachte, auch sie zu töten.
Sie hatten es geschafft. Sie hatten in der Mumie von Jasmin Peters die DNA von Jakob Kürten entdeckt. Sie hatten herausgefunden, mit wem Jasmin zuletzt wo und wie kommuniziert hatte. Sie wussten, wie es Jakob gelungen war, das Vertrauen des Mädchens zu erschleichen. Und schließlich hatten sie anhand der DNA seine Identität ermittelt und wussten, dass der scheinbar so freundliche Mann Jasmin Peters vergewaltigt und getötet hatte. Es klang fast zu einfach, um wahr zu sein.
Was, wenn alles wirklich zu einfach gewesen ist?, fragte Clara sich ängstlich.
***
Die Tür flog krachend auf. Die MEK-Beamten stürmten in den Flur und sicherten zuerst die Küche, wo sie das Licht gesehen hatten.
Aber dort war niemand.
Dann das Wohnzimmer.
Niemand.
Das Badezimmer.
Niemand.
An den Wänden des Flurs hingen ein paar moderne Drucke von Picasso und van Gogh. In der Küche stand Geschirr in der Spüle. Im Wohnzimmer ein Regal mit Büchern. Sessel. Ein Fernseher. Kein Computer.
Hinten rechts war eine Tür, ebenfalls verschlossen. Auch von dort war nichts zu hören. Schlief Kürten? Hörte er über Kopfhörer Musik? Oder wartete er bereits mit einer Pumpgun hinter der Tür, um sofort zu schießen, sobald die ersten Schritte vor dem Zimmer zu hören waren?
Marc und Philipp öffneten die Tür und stürmten hindurch. Dann Stille im Inneren.
Nach wenigen Sekunden kam Philipp rückwärts aus dem Zimmer, als würde eine dämonische, unsichtbare Kraft ihn langsam, aber bestimmt hinausdrängen. Er schaute zu Clara, Winterfeld und Hermann, die ihre Waffen griffbereit in den Händen hielten. Doch es schien keine Gefahr zu sein, vor der Philipp geflüchtet war. Es lag eher ungläubiges Erstaunen in seinem Blick. Er schüttelte den Kopf und zeigte mit der linken Hand in das Zimmer.
»Das müsst ihr euch ansehen.«
***
Es war wie ein Déjà-vu-Erlebnis. Wieder hing der Geruch nach Leder in der Luft, vermischt mit dem zitronenartigen Geruch nach Insekten. Und wieder wimmelte es von Käfern.
Doch hier lag die Todeszeit offenbar noch viel länger zurück.
Die Leiche auf dem Bett war bereits dermaßen vertrocknet, dass man auf den ersten Blick nicht einmal mehr feststellen konnte, ob es ein Mann oder eine Frau war. Graubraune Haut zog sich wie Sandpapier über die klauenartig aus dem Körper
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