Finale auf Föhr
folgten Informationen über die offenbar gut gehende Hamburger Reederei und deren internationale Geschäftsbeziehungen. Das kontinuierliche Wachstum der Firma sei nicht immer in Harmonie vonstattengegangen. Das überschlug Carl beim Vorlesen weitestgehend. Halt, eines war doch interessant: »Hier steht, dass die mit der Feringer Inselreederei in Verkaufsgesprächen standen. Die Reederei unserer Fähren.«
Das wusste Renata natürlich, solche Selbstverständlichkeiten brauchte er ihr nicht als Neuheiten anzudrehen.
Carl ließ sich nicht beirren: »Die Siewerings haben in der Vergangenheit eine kleine Reederei nach der anderen geschluckt. Sie sind inzwischen die unangefochtene Nummer eins bei Ausflugs-und Fährlinien und wollen jetzt auch in Kreuzfahrtschiffe investieren.«
Renata fand das nicht übermäßig spannend, sondern fragte ihn, ob denn da mehr über die Familie stünde.
»Warte, ich geb dir gleich den Teil. Hier steht nur, dass die Frau von dem Hermann Siewering vor Jahren gestorben sei. Ach, und die erste Frau von dem Sohn auch. Vor ein paar Jahren habe er wieder geheiratet. Zwei Kinder, dreiundzwanzig und neunzehn, also von der ersten Frau. Die seien oft auf der Insel. Die zweite Frau – ah, da ist auch ein Bild.«
Renata streckte verlangend die Hand nach der Zeitung aus.
Nein, jetzt las ER diesen Teil! »Sieh mal einer an. Die kennen wir! Das ist doch die unsympathische feine Dame von gestern im Apfelgarten, die am Tisch! Vierunddreißig Jahre, fast zwanzig Jahre jünger als ihr Mann. Sieht ziemlich gut aus. Ihm zuliebe habe sie eine Karriere als Leistungssportlerin aufgegeben. Triathlon und Surfen. Stell dir vor, die war sogar mal Hamburger Landesmeisterin.« Er wusste doch, wie man Renata ärgern konnte. Die ewige Angst der Brünetten vor der blonden und dann auch noch sportlich fitten Sirene ... Das Schwarz-Weiß-Foto zeigte eine recht junge, attraktive Frau mit hellen Haaren, Typ nordische Schönheit, etwas herb. »Die erinnert mich an die süße Luise. Du weißt doch, unsere PR-Chefin, als ich noch im Hamburger Verlag war«, sagte er unbedacht.
Sie drängte erneut, den Hinweis auf Luise ignorierte sie diesmal. Gott sei Dank! Warum musste er das auch immer machen? Also überschlug er einen Teil des Textes. »Hier steht, das Haus, das sie auf der Insel haben, soll weit über eine Million gekostet haben! Da ist auch ein Foto. Das Haus würde ich mir gern mal ansehen. Wir könnten doch nachher mal da vorbeifahren.«
Renata lehnte ab. Sie fand das offenbar voyeuristisch. Wozu sollte das dienen? Männer! Vielleicht wollte er es auch noch fotografieren? Carl von Brandes, der geistige Bruder von Sherlock Holmes!
Er überließ ihr die Zeitung ganz und räumte den Tisch ab, das Geschirr gleich in die Spülmaschine. Die Wohnung war gut ausgestattet, fehlte nur noch die eigene Waschmaschine. Hatte Renata gesagt, die ungern den kleinen Waschsalon in Wyk benutzte. »Mach dich dann bitte fertig, ich will noch Klaus-Henning meine Fotos vorbeibringen, möglichst bevor die Kripo vom Festland bei ihm aufschlägt. Oder willst du nicht mit nach Wyk?«, fragte Carl. Sie hatte an sich nie etwas dagegen, dorthin zu fahren, auch nicht bei schönstem Strandwetter – frei nach dem Motto: »Einmal geshoppt – nie mehr gestoppt«. Nr. 217a aus der Sprüchekiste, über die Jahre schon etwas abgenutzt, den liebte Renata auch nicht besonders.
Carl sah seine Frau an. »Nun?« Renata zögerte, sah hinaus. Es war ein so herrlicher Morgen. Der Wetterbericht hatte für die nächsten Tage etwas unbeständigeres Wetter mit Abkühlung und gelegentlichen Regenschauern vorhergesagt. »Ich geh in den Strandkorb«, entschloss sie sich schließlich, »fahr allein. Die Boutiquen kann ich immer noch plündern. Bring aber bitte noch etwas aus dem großen Supermarkt am Hafen mit!« Sie schrieb ihm schnell einen Einkaufszettel.
Keine Anzeichen für einen gewaltsamen Tod
Asmussen starrte auf die Papiere auf dem Tisch, ohne etwas wahrzunehmen. Gestern Abend war Inger tatsächlich ausgezogen. Die Diskussion war kurz und schmerzhaft gewesen, dann hatte ein junger Mann an der Tür geklingelt, um sie abzuholen. Der Schmelz der Jugend hatte gesiegt. Er horchte in sich hinein. Es tat weh. Aber immerhin: Ein richtiges Verlustgefühl wollte sich nicht einstellen. Dann war es wohl auch besser so. Aber nun würde er abends wieder allein sein, mit seinen Fachbüchern und dem Strategiespiel auf dem Computer. Im Grunde nahm er Inger nur das wirklich
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