Finale auf Föhr
Containerschiff steuern können. Soweit er wusste, hatte der Kapitän auch die entsprechenden Patente. Oder er hatte sie jedenfalls gehabt. Persönliche Gründe? Aber was sollte ein Mann ohne Verpflichtungen wie Petersen für Gründe haben, hier in Nordfriesland festzukleben? Sein idyllisch dicht am Strand gelegenes Häuschen in Utersum hätte er gut einem Makler zur Vermietung übergeben und sich das ganze Jahr auf den sieben Weltmeeren heru m treiben können.
Sie hatten noch keine Zeit gehabt, ihn zu befragen. Er war heute im Dienst zwischen Föhr und Dagebüll eingesetzt. Die Kollegen von der Kripo würden sich gewiss heute Abend oder morgen um ihn kümmern, Wattführer Hansen befragen und sich die Familie Siewering vornehmen. Die Kollegen am Hafendeich konnten dann wohl zur Inselroutine zurückkehren: Absperrungen, Streifendienste, kleine Schlägereien, Taschendiebstahl, vermisste Urlauberhunde suchen und das Übliche ...
Konfrontation
Gleichzeitig mit einem kurzen scharfen Klopfen betraten zwei Männer den Raum, begleitet von Achim Lohns, der seinen Chef entschuldigend anblickte. »Sie sind Hauptkommissar Asmussen«, stellte der eine fest, offenbar der Ranghöhere der Beiden. »Ich habe schon einiges von Ihnen gehört.« Sicher nicht viel Gutes, dachte Asmussen, während er sie begrüßte. »Mein Name ist Alexander Seyfried, Kriminalhauptkommissar, für besondere Ermittlungen in diesem Fall abgestellt vom SEK Kiel. Das ist mein Mitarbeiter, Kriminaloberkommissar Kohlmann. Wir übernehmen ab sofort zusammen mit der Kripo Hamburg die Ermittlungen im Fall Siewering. Zeit ist knapp, gegessen haben wir an Bord, wir haben uns schon im Hotel einquartiert. Also bitte ich Sie, uns gleich den Dienstraum zu zeigen, damit wir sofort mit der Arbeit beginnen können.«
Ein ganz schneller Polizist. Den Typ kannte Asmussen recht gut. Jung, ehrgeizig, effizient, sehr schnell befördert. Nur Eins-A-Beurteilungen. Mit Verbindungen nach oben und ausgeprägtem Machtinstinkt. Sympathisch waren solche Leute in der Regel nicht, auch Seyfried strahlte eher Kälte aus. Ein etwa 1,80 Meter großer, schlanker Mann, durchtrainiert, aber kein »Kraftpaket«, sonnengebräunt, hohe Stirn, hellblonde Haare, Augenbrauen und kleiner Schnäuzer in der gleichen Farbe. Vielleicht wegen der hellblauen Augen wirkte das Gesicht seltsam flach, farblos. Dieser Eindruck wurde verstärkt durch eine schwache Mimik. Ein idealer Geheimdienstler, überlegte Asmussen. Die Stimme des Beamten klang relativ hoch, mit einer leicht klirrenden Note. Sollte wohl Schärfe ausdrücken. Antrainiert, eindeutig, konstatierte Asmussen, der das als Schwäche einschätzte. Mit seinem Auftreten versucht er, andere zu dominieren. Mich schafft er damit nicht. Seyfrieds Alter schätzte er auf höchstens Mitte dreißig.
Der ältere Kieler Kollege hatte sich bis jetzt völlig zurückgehalten. Ein Mittfünfziger, ebenfalls um die 1,80 Meter groß, leicht untersetzt, schütteres schwarz-graues Haar. Gepflegter, kurzer grauer Vollbart, braune Augen, randlose Brille, fleischige Nase. Er stellte sich nun kurz vor. Kriminaloberkommissar Peter Kohlmann war abgestellt, Seyfried bei den Ermittlungen zu unterstützen. Ein jovialer, vom Äußeren eher unscheinbarer Typ mit wesentlich freundlicherer Ausstrahlung als der Ranghöhere. Da haben wir sie schon, dachte Asmussen bei sich, die Idealbesetzung für das Spiel »Guter Polizist – böser Polizist«. Nicht, dass er das ablehnte. Damit war bei Verhören immer wieder Erfolg zu erzielen.
Betont freundlich sagte er: »Willkommen auf Föhr und in unserer bescheidenen Dienststelle. Wir haben Ihnen einen Extra-Raum vorbereitet. Leider haben wir keinen eigenen Drucker und auch kein eigenes Faxgerät für Sie. Wir sind als arme Inselpolizisten«, das konnte er sich nicht verkneifen, »von der technischen Ausstattung her nicht darauf eingerichtet.« Seyfried winkte ab. Er bräuchte nur einen Netzwerkanschluss für den Laptop. Den trug offenbar Kohlmann in einer dicken schwarzen Umhängetasche bei sich. Er fungierte für Seyfried, der nur eine schmale Konferenzmappe unter den Arm geklemmt hatte, offenbar als Kofferträger.
Die beiden Kripobeamten ließen sich das Dienstgebäude zeigen und richteten sich in ihrem Raum ein, den zuvor die schwangere Kollegin Behrendt wenige Wochen benutzt hatte. Sievertsen mitsamt Unterlagen, Computer und persönlicher Ausrüstung war zu Eicken und Jahrmann ausquartiert.
Die Kieler legten gleich Tempo vor.
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