Finale auf Föhr
Ihren Schwiegervater zuletzt gesehen oder gesprochen?« fragte Asmussen.
»Warten Sie, das war am Nachmittag. Wir haben noch zusammen Kaffee getrunken. Gegen vier Uhr vielleicht sind sie von hier losgefahren zum Hafen. Ich habe nicht auf die Uhr gesehen.«
»Danach hatten Sie keinen Kontakt mehr?«
»Nein, leider nicht. Mein Mann hat auch nicht angerufen. Er hätte es aber auf jeden Fall durchgegeben, wenn er seine Pläne irgendwie geändert hätte. Wir hatten für heute Abend ein Essen mit dem Wyker Bürgermeister, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Feringer Inselreederei und dem Chef der Friesenreederei geplant. Das musste ich jetzt natürlich kurzfristig absagen.«
»Und wie haben Sie den gestrigen Abend verbracht?«
»Was meinen Sie damit?«, fuhr sie auf. »Bin ich jetzt verdächtig?«
»Ich muss mir ein Gesamtbild machen«, beschwichtigte Asmussen, »haben Sie bitte Verständnis. Diese Frage ist unumgänglich und hat mit irgendeiner Form von Verdacht nicht das Geringste zu tun.«
»Also gut, aber weiterbringen wird Sie das bestimmt nicht«, fuhr Helen Siewering fort, sichtlich gereizt. »Ich war den ganzen Abend zu Hause, die Kinder ausnahmsweise auch, und Frau Iversen war auch da. Die Haushälterin. Wir sind relativ früh ins Bett gegangen, und das war’s. Mit mehr kann ich leider nicht dienen.«
»Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir Ihre Angaben noch überprüfen müssen. Aber das kann zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Mich würde interessieren, ob Ihr Schwiegervater und Ihr Mann Feinde hatten, ob es Menschen gibt, die Grund für einen Mord haben könnten. Denken Sie bitte nach!«
»Ausgeschlossen!« wehrte Helen Siewering ab. »Ich weiß zwar nicht viel von den Geschäften der Reederei, aber so etwas ... nein, das kann doch nicht sein. Mir fällt jetzt wirklich niemand ein, der dazu fähig sein könnte. Geschäftskonkurrenten vielleicht, aber nein. Unvorstellbar!«
Asmussen beendete das Gespräch. »Ich danke Ihnen sehr und hoffe, dass Sie Ihren Mann bald gesund wiederhaben werden. Wir werden alles tun, ihn schnell zu finden.«
Auf der Rückfahrt dachte er über die Frau nach. Sie hatte beunruhigt gewirkt, leicht schockiert, war auch ein wenig aggressiv gewesen. Alles nicht ungewöhnlich für Menschen, die eine solche Nachricht erhalten.
Bericht im Inselkurier
Um 8.30 Uhr klappte Carl ein Auge auf, dann das andere. Ein Sonnenstrahl fiel durch die nur halb zugezogenen Vorhänge des Schlafzimmers unter dem Dach der ehemaligen Scheune. Er blieb noch ein wenig liegen. Seine Gedanken wanderten zu der gestrigen Begegnung mit der schönen Deutsch-Engländerin. Carl und Caroline. In einem anderen Leben ... Renata hatte er nur berichtet, dass er sie am Strand kurz getroffen und ihr beim Suchen nach einem Ohrring geholfen hatte. Sie hatte ihn wie üblich kritisch angesehen. Wenn sie sich wohl ihr Teil gedacht hatte, hatte sie doch nichts weiter gesagt. War es jetzt soweit? Midlife crisis, man wird zum Objekt des Mitleids und bekommt nicht einmal mehr eine Eifersuchtsszene geliefert?
Schließlich schwang, nun ja, wälzte er sich mühsam über die Bettkante. Da war gestern noch die Flasche Prosecco gewesen, mit der sie auf dem Utersumer Deich den herrlichen Sonnenuntergang begossen hatten. Renata hatte sich wie üblich mit eineinhalb Gläsern begnügt, er hatte – ordnungsliebend – natürlich den Rest trinken müssen. Immerhin: Keine Kopfschmerzen.
Es hatte natürlich wieder etwas länger gedauert als geplant. Mit dieser Idee waren sie auch nicht allein gewesen, Scharen von Urlaubern hatten hinter dem »Haus des Gastes« alle Bänke besetzt, den Deich und etliche Strandkörbe bevölkert. Eine Gruppe junger Leute hatte ausgelassen in den Prielen herumgeplantscht und sich mit Schlick beworfen. Ach ja ...
Danach waren sie auf dem schmalen Pfad durchs Feld, an der Pferdekoppel mit dem zutraulichen braunen Wallach vorbei, zum Quartier zurückgegangen. Das gewohnte Abendessen in der von Frauke Harksen und ihrem Mario betriebenen »Ual Skinne«, der Alten Scheune, war ausgefallen. Zu viel Kuchen mit Schlagsahne im »Apfelgarten«. Carl drückte den »Rettungsring« an der Hüfte zusammen. Hmm. Er dachte eine Weile über mögliche Gegenmaßnahmen nach, die allerdings, das war das Problem, nicht zu viel Schweiß kosten sollten. Die letztlich unfruchtbaren Überlegungen beendete er mit dem Entschluss, endgültig aufzustehen.
Renata war noch nicht ausgehfertig mit ihrer kurzen Jeans, dem
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