Finale Mosel
verstrickt.«
»Ich dachte, du hast nichts gegen ihn.«
»Er erinnert mich an jemanden, der hieß auch Andreas, genannt Andy, die Ratte, der hat Leute angefixt. Da waren auch Minderjährige darunter. Und unser Münchner Freund hier scheint vom gleichen Kaliber zu sein.«
Walde schaute ihr über die Schulter. »Wo hast du das her?«
»Das haben die Münchner Kollegen geschickt«, sagte Gabi. »Für die ist der Fall abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben, und der Prozess sollte eigentlich in ein paar Tagen losgehen, erst gegen René Tiefenbach.«
»Und was hat Gorzinsky damit zu tun?«
»Der soll den Koks besorgt haben, zumindest am Anfang, nachher kam noch ein weiterer Dealer ins …«
»Ich dachte, er hat eine Fotoagentur?«, fragte Walde.
»Das eine hat sich mit dem anderen gut verbinden lassen. Auf der einen Seite ein bisschen in der Schickimickiszene fotografieren und auf der anderen Seite mit Drogen dealen. Übrigens ist er einschlägig vorbestraft und musste mit einer deutlich höheren Strafe rechnen, als sie Tiefenbach gedroht hätte.«
»Was heißt musste?«
»Der Prozess wird wahrscheinlich erst mal platzen.«
»Aber Gorzinsky wird doch nicht einfach so davonkommen?«
»Jedenfalls sieht es so aus, als würde der Hauptbelastungszeuge ausfallen. René Tiefenbach hat ein umfassendes Geständnis abgelegt und sollte als eine Art Kronzeuge auftreten.«
»Und Gorzinsky?«
»Hat ebenso wie die anderen Beschuldigten bisher noch kein Wort ausgesagt, als hätte er vorausgeahnt, was Tiefenbach zustoßen würde. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er den Sänger umbringt und dann die Fotos vermarktet.«
»Und dieser Andy, dein Freund von früher?«, fragte Walde.
»Das war nicht mein Freund!«, zischte Gabi. »Er war einer der Gründe dafür, dass ich zur Polizei gegangen bin. Der hatte das gleiche falsche Lächeln.« Sie drehte ihm das Gesicht zu und bleckte die Zähne. »Neben Gorzinsky hat Tiefenbach noch ein paar andere Leute schwer belastet.«
»Aus München?«
Sie nickte.
»Hast du die Namen?«
Sie nickte erneut.
»Dann sollten wir mal überprüfen, ob jemand am Wochenende in einem Trierer Hotel abgestiegen ist, und vielleicht finden wir auch was über den Kartenverkauf.«
»Darüber haben wir auch schon diskutiert. Besser, wir warten, was bei der Obduktion herauskommt«, sagte Gabi.
»Mhm.« Grabbe nickte bestätigend.
»Die Anklage scheint sich im Wesentlichen auf Tiefenbachs Aussage zu stützen. Und von der Gegenseite wird versucht, Tiefenbachs Glaubwürdigkeit zu erschüttern.«
»Noch besser ist es, ihn an einer Aussage vor Gericht zu hindern«, brummte Grabbe, ohne aufzusehen.
»Was liest du denn da?«, fragte Walde.
Grabbe hielt das kleine gelbe Buch hoch. »’Elektra.’«
»Alle Achtung.« Walde nickte anerkennend.
»Ich lese nur die Szenen, in denen Orest auftritt.« Grabbe blickte seinen Kollegen prüfend an. »Also, das war die Rolle von Tiefenbach.«
»Verstehe. Du kannst uns ja eine Zusammenfassung geben.«
»Wenn euch das wirklich interessiert?«
»Klar«, antworteten Gabi und Walde im Chor, während das Läuten des Telefons die Begleitmusik lieferte.
Hoffmann hatte aus der Gerichtsmedizin angerufen. Gabi saß am Steuer, Walde daneben; Grabbe beugte sich von hinten zwischen die Sitze und hielt sich mit beiden Händen an den vorderen Kopfstützen fest. Sein empfindlicher Magen reagierte auf jede Art von motorisierter Fortbewegung. Selbst eine Autofahrt in Gabis ruppigem Stil konnte ihm zu schaffen machen.
»Die Idee zu Elektra ist von Sophokles. Hugo von Hofmannsthal hat das Libretto vor ungefähr hundert Jahren neu geschrieben, also den Text, und die Musik ist von Richard Strauss, nicht zu verwechseln mit dem Walzer-Strauß.« Der Motor heulte auf und Grabbe sprach lauter. »Elektra ist die Tochter des Agamemnon, der von seiner Frau Klytämnestra und deren Liebhaber umgebracht wurde. Sie lebt ziemlich heruntergekommen am Hof und sinnt auf Rache.«
»Die Klytämnestra?«, unterbrach ihn Gabi, während sie die Fahrspur wechselte.
»Nein, die Elektra , also die Tochter. Und dabei hofft sie, ihr Bruder Orest, gespielt von Rene Tiefenbach, könne ihr helfen. Aber der soll tot sein und lebt dann doch. Er kommt in der Nacht und bringt seine Mutter und deren Liebhaber um. Und Elektra stirbt dann auch noch.«
»Aber durch Orest?«, fragte Gabi.
»Nein, die stirbt ohne Fremdeinwirkung, also eines natürlichen Todes.«
»Dieses Arschloch!«,
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