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Finale Mosel

Finale Mosel

Titel: Finale Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Unterschied zu sonst, ein wenig angespannt.
    »Was gab’s bei dir?«, fragte Walde.
    »Überraschend nette Leute und gar nicht arrogant. Die Hertha Bergmann, die Elektra, schien von Tiefenbachs Tod sehr mitgenommen zu sein. Sie und die andere, die Klytämnestra, haben am Samstagabend nichts Ungewöhnliches bemerkt.«
    »Und sonst?«
    »Also ich habe noch mit ein paar anderen Darstellern und dem Regisseur gesprochen.« Sie zwinkerte Walde zu. »Der hat schon ganz eifersüchtig geguckt, als ich mit Markus gesprochen habe, den wollte ich nicht enttäuschen.«
    »Markus?«
    »Der hatte am Samstag eine andere Rolle und muss heute Abend René Tiefenbach ersetzen, ein reines Nervenbündel.«
    »Sollten wir ihn im Auge behalten?«
    »Er sieht nicht schlecht aus.«
    »Ich meine«, Walde atmete tief durch, »durch Tiefenbachs Tod eröffnen sich ihm doch ungeahnte Chancen.«
    »Nee, das glaube ich nun nicht, dass er für zwei Auftritte einen Mord begangen hat. Die beiden sollen sich auch gut verstanden haben. Was man von Tiefenbach und dem Archäologen nicht sagen kann.« Sie schob sich die Sonnenbrille ins Haar. »Übrigens sagte Markus, Tiefenbach habe sich mit dem Archäologen, diesem …«
    »Muth«, ergänzte Walde.
    »Genau, mit diesem Muth habe er sich angelegt.«
    »Wie? Ich dachte Kehlheim und Muth …« Ein dicker Tropfen zerplatzte auf Waldes Stirn, während der Wagen an einer roten Ampel zum Halten kam.
    »Nein, Tiefenbach.« Gabi beugte sich nach vorn und fummelte neben der Lenksäule herum. Sie lehnte sich wieder zurück und schlug mit der rechten Hand auf das Armaturenbrett. »Mist, es funktioniert immer noch nicht! Zwischen den Proben soll er dem Muth auf die römischen Funde gepinkelt haben.«
    »René Tiefenbach?«, fragte Walde.
    »Genau, und anschließend hat er sich an den Schürfgeräuschen der Grabenden gestört, die sonst niemand auf der Bühne hören konnte.«
    »Und deshalb mussten die Leute vom Sommercamp ihre Grabungen unterbrechen? Übrigens hat einer von denen mich vorhin angesprochen. Muth soll gegen ihn handgreiflich geworden sein, hat ihn aber nicht geschlagen.« Weitere Tropfen platschten auf Waldes Kopf. »Sollen wir es mal manuell versuchen?«
    »Ich hab’ die Betriebsanleitung nicht dabei. Die hab’ ich mal abends mit in die Wohnung genommen, um sie in Ruhe zu lesen.«
    »Ist es das erste Mal, dass die Elektrik versagt hat?«, fragte Walde.
    »Das ist schon über ein halbes Jahr her.«
    »Aber im Winter hattest du das Verdeck auch nicht so häufig offen.« Walde überlegte. »Lass’ mich raten, seitdem liegt die Betriebsanleitung in deiner Wohnung.«
    Der Regen ließ die Tinte auf dem Blatt verlaufen. Walde faltete es zusammen und öffnete das Handschuhfach. Drinnen lag zwischen einem Straßenatlas und einem Stadtplan von Amsterdam ein Schal, den er herauszog.
    »Wann warst du denn in Amsterdam? Möchtest du den umbinden?« Er reichte ihr den Schal.
    Sie langte zielsicher hinter sich, zog eine Plastiktüte hervor und drückte sie ihm in die Hand. Der Regen wurde stärker. Gabi schaltete die Scheibenwischer an. Während der Fahrt hielt die Windschutzscheibe den meisten Regen ab. Vor der Ampel in der Kaiserstraße staute sich der Verkehr soweit zurück, dass sie mindestens zwei Grünphasen brauchen würden, um weiterzukommen.
    »Nicht zu fassen, du weißt nicht, wie man das Verdeck von Hand schließt?« Walde stülpte sich die Plastiktüte über den Kopf, während Gabi sich vor der roten Ampel das Kopftuch umband und die Heizung auf volle Touren stellte.
    »Wenigstens bleiben die Sitze trocken.«
    Ein gelber VW Beatle zog hupend auf der linken Spur an ihnen vorbei, die Insassen winkten ihnen zu. Auf dem Alleenring herrschte Feierabendverkehr. Neben Walde wurde eine Scheibe auf der Fahrerseite heruntergelassen. Ein Handy kam zum Vorschein.
    »Fotografiert der etwa?«, rief Walde und wischte sich mit der Hand über den Nasenrücken.
    »Schämst du dich?«
    Er antwortete nicht.
    »In solchen Situationen siehst du die Einstellung unserer Mitbürger … die sind von Neid zerfressen.« Sie schaute grimmig zu dem Wagen hinüber, worauf dort die Scheibe wieder hoch sauste.
    »Dieser Muth haust in einem Wohnmobil, das er nachts im Amphitheater parkt, manchmal auch am Landesmuseum, und für einige seiner Studenten soll er so was wie ein Guru sein«, sagte Gabi. »Hin und wieder soll er den hübschesten die Gunst erweisen, beim Meister übernachten zu dürfen.«
    Sie erreichten die Hindenburgstraße.

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