Finale Mosel
Meine Studenten harren hier schon den ganzen Tag aus.« Er wies zu den Bäumen oberhalb der Ränge, in deren Schatten sich etwa zehn junge Leute zwischen Wasserflaschen, Spaten und Werkzeugkisten niedergelassen hatten. Auf ihren T-Shirts prangte ebenfalls das Logo des Sommercamps. Ladenglisch. »Wann können wir endlich weitermachen?«
»Hören Sie, ich verstehe ja Ihr Anliegen. Aber immerhin ist hier jemand umgekommen. Und da muss eben gründlich ermittelt werden. Ich werde mit den Technikern sprechen.« Walde schaute zur Bühne, wo sich Gabi im Gespräch mit Kehlheim und den Darstellern befand.
»Von den Funden ist leider noch nichts gesichert worden, sie sind größtenteils sehr fragil, nicht einmal die genaue Lage ist dokumentiert, wir mussten ja bereits wegen der Proben zu Elektra abbrechen. Herr Kehlheim konnte das Kratzen der Spaten nicht ertragen.« Er rollte mit den Augen.
»Wie gesagt, nach dem Gespräch mit der Kriminaltechnik weiß ich mehr.« Walde nickte dem Archäologen zu und drängte sich zwischen den zum Ausgang strebenden Musikern hindurch an der Bühne vorbei. An einem Gerüst lehnten große Koffer mit Kontrabässen. Davor standen zwei rauchende Musiker, die skeptisch zu den dunklen Wolken am Himmel blickten.
Die Absperrung mit dem Schild ›Zutritt polizeilich untersagt‹ befand sich inzwischen vor dem Bogen des Tunnels. Hinter dem Ausgang blieb Walde vor einem hüfthohen Absperrgitter stehen und blickte nach unten in den Graben, der wieder bis zu den Rändern mit schwarzer Folie bedeckt war. Er ging in die Richtung, aus der er die Stimmen hörte. Unter dem provisorischen Holzdach packten zwei Kriminaltechniker ihre Koffer, während Gerd Sattler und Dr. Hoffmann sich über eine Kunststoffkiste beugten. Walde sah, dass die Kiste Knochen enthielt.
»Das wird Dr. Muth vermutlich gar nicht freuen.« Sattler schmunzelte. »Aber dieser Archäologe«, er betonte das Wort auf der ersten Silbe, »würde gut daran tun, den Mund zu halten, egal, was für einen sensationellen Gladiatorenfriedhof er hier freigelegt haben will. Die gesamte Grube hätte abgestützt werden müssen, das ist wirklich lebensgefährlich. Und der Regen hat auch nicht unbedingt dazu beigetragen, das Gelände stabiler zu machen.«
Hoffmann hob einen größeren Knochen aus der Kiste, begutachtete ihn kurz und legte ihn wieder zurück.
»Hallo«, grüßte Walde. »Und was sagen Sie dazu?«
»Was soll ich dazu sagen?« Der Gerichtsmediziner wies auf die Kiste. »Der Kram gehört nun absolut nicht zu meinem Fachgebiet.«
»Die Knochen sind womöglich zweitausend Jahre alt.« Sattler schob die heruntergerutschte Brille mit dem breiten Steg aus dunklem Horn nach oben.
»Die Historie finde ich persönlich absolut spannend, so was sieht man ja nicht alle Tage, aber ich bin nicht imstande, mich dazu fachlich dezidiert zu äußern.« Hoffmann zuckte mit den Schultern.
»Ist es zum Beispiel möglich, dass diese Verletzung hier durch einen Schwerthieb zustande kam?« Sattler nahm den obersten Knochen und zeigte auf eine Einkerbung.
»Schon möglich, aber warum fragen Sie mich das?«
»Sie sind doch der Spezialist!«
»Aber nicht für so altes Zeug, was Sie da in Händen halten. Ich bin zudem Humanmediziner, und dieser Knochen stammt nicht von einem Menschen. Ich tippe mal auf ein Pferd oder einen Esel.«
»Wie bitte? Aber Muth sagte doch, das hier wäre ein Gladiatorenfriedhof. Was haben da Pferdeknochen zu suchen?«
»Keine Ahnung. Möglicherweise wurde das arme Tier bei Kämpfen in Mitleidenschaft gezogen.« Hoffmann streifte sich die Handschuhe ab. »Fragen Sie doch diesen Ausgräber, den Herrn Wut …«
»Muth«, korrigierte ihn Sattler. »Der wird uns wohl keine große Hilfe sein, der hat uns schon die Knochen verflucht, weil wir seine Funde angeblich nicht pfleglich genug behandelt haben.«
»Ist wohl total auf Knochen fixiert.« Hoffmann schmunzelte.
»Ein beinharter Knochen.« Sattler grinste.
»Dann werde ich meine müden Knochen mal nach Hause bewegen.« Hoffmann bückte sich und kletterte unter der Überdachung hervor.
»Ich hätte noch eine knochentrockene Frage: Können wir Schluss machen?«, wandte sich Sattler an Walde. »Wir sind fertig. Wir haben Faserspuren gefunden, Abdrücke von Schuhen gesichert, von wem auch immer der Kram stammt, und ich habe die Kameraposition, aus der Gorzinsky die Fotos des Opfers gemacht hat.« Er zeigte auf die andere Seite des Grabens. »Er hat da drüben gestanden. Falls er
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