Finale Mosel
früh genug da war, könnte er von da aus auch den Täter fotografiert haben, der womöglich hinter Tiefenbach aus dem Tunnel kam.« Sattler packte die Kiste mit den Knochen und wendete sich zum Gehen. »Von mir aus kann Muth hier wieder weiterbuddeln. Sag’ dem Archäologen aber auch, dass er die Wände abstützen muss.«
Im Tunnel hörte Walde, wie die Klavierbegleitung abbrach und eine Sängerin allein noch ein paar Takte weiter sang, als habe sie den Schluss verpasst. Muth stand rauchend an das Gitter am Tunnelausgang gelehnt. AUF GLADIATORS SPUREN stand auf dem Rücken seines T-Shirts.
»Wo waren Sie eigentlich am Samstagabend?« Walde registrierte, wie der Archäologe zusammenzuckte.
»Mit einer guten Flasche Moselriesling in meinem Wohnmobil.«
»Allein?«
Muth nickte.
»Der Tatort ist wieder freigegeben.« Walde ging an Muth vorbei. »Herr Sattler überlässt Ihnen die Knochen.«
»Ja, was ist mit..?« Der Rest von dem, was Muth ihm nachrief, ging in der aufheulenden Motorbremse eines Reisebusses unter, der nebenan die Straße hinunter fuhr. Zwei Frauen huschten über die Bühne. Sie hielten ihre Röcke mit beiden Händen gerafft.
»Darf ich Sie eine Minute sprechen?« Ein junger Mann hatte auf der steil ansteigenden Wiese gesessen und stand nun auf, als Walde näherkam.
»Um was geht es denn?«
»Um Dr. Muth, ich denke, Sie sollten wissen, dass er gegen mich gewalttätig geworden ist.«
»Kann ich bitte Ihren Namen erfahren und in welcher Beziehung Sie zu Herrn Dr. Muth stehen.« Walde nahm sein kleines Notizbuch heraus.
»Rolf Wunsch.« Der Mann trug ein verwaschenes blaues T-Shirt über einer knielangen Kakihose. »Ich gehörte zum Sommercamp.«
»Was ist passiert?«
»Er ist handgreiflich geworden.«
»Aha.« Walde bemerkte, dass es dunkler geworden war. Er blickte nach oben. Eine tief hängende dunkelgraue Wolke berührte fast den Gipfel des Weinbergs oberhalb des Amphitheaters.
»Es war kurz vor einer schweren tätlichen Auseinandersetzung.«
»Um was ging es?«
»Das spielt doch keine Rolle, der kann doch nicht einfach handgreiflich werden.«
»Trotzdem würde ich gerne den Grund der Auseinandersetzung wissen«, blieb Walde hartnäckig.
»Der Geilheimer hat meine Freundin angemacht. Meine Ex. Das ist vorbei. Wer sich mit so einem Arschloch einlässt, ist für mich gestorben.«
»Und warum erzählen Sie mir das?«
»Damit Sie wissen, mit was für einem Mistkerl Sie es zu tun haben.«
»Wo bleibst du denn?« Gabi erwartete Walde am Fuß der Treppe zur Arena.
»Sattler ist mit der Untersuchung fertig«, berichtete Walde. »Hoffmann war da. Weißt du, was er zu den Knochen sagt, auf denen Tiefenbach gelandet ist?«
»Du wirst es mir sicher gleich sagen. Ich muss weg, bevor das da losgeht.« Sie zeigte zum Himmel, der sich bedrohlich dunkel bewölkt hatte. »Ich hab’ dir ja vorhin schon gesagt, dass ich noch was vorhabe.«
Ein Kleinbus fuhr mit knirschenden Rädern durch den feinen Kies. Kehlheim saß neben dem Fahrer. Die beiden Sitzreihen im Fond waren ebenfalls besetzt.
»Mist, waren das nicht Kehlheim und Orthauser?«, fragte Gabi. »Wo wollen die denn hin?«
»Hast du Orthauser nicht gesagt, dass ich mit ihm reden möchte?«
»Wie denn, der hat doch dirigiert?«
An der Bühne erfuhr Gabi, dass der Regisseur und einige Darsteller sich vom Fahrdienst ins Theater bringen ließen, um dort im Trockenen weiterzuproben.
Als sie vom Parkplatz auf die Straße Richtung Innenstadt einbogen, kamen ihnen die meisten Pkw mit eingeschaltetem Licht entgegen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis es regnen würde.
»Willst du nicht das Verdeck schließen?«, fragte Walde.
»Hab ich schon versucht, es funktioniert nicht.«
»Was?«
»Wenn der Motor auf Touren ist, klappt es bestimmt«, sagte Gabi.
Walde nahm die Kladde mit Grabbes Recherchematerial zur Hand. Als Erstes erblickte er eine Seite aus einer Münchner Gazette mit der Homestory über Kurt Ferdinand Orthauser. Ein Bild zeigte den Dirigenten, wie er, ganz in Orange gekleidet und mit einer Mala um den Hals, an einem weißen Flügel spielte.
»Orthauser hat in den USA Philosophie, Betriebswirtschaftslehre und Musik studiert«, sagte Walde.
»Interessante Kombination. Man weiß ja in jungen Jahren nie so recht, ob man Musiker, Hippie oder Investmentbanker werden will.«
»Er soll ein Jahr lang als Sanyasin in einem Ashram in Oregon gelebt haben.«
»Das sagte Grabbe bereits.« Gabi wirkte am Steuer, im
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