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finde-mich-sofort.de (German Edition)

finde-mich-sofort.de (German Edition)

Titel: finde-mich-sofort.de (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Meissner
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hatte nicht die Spur eines Interesses bei mir hervorgerufen. Meiner Schwester gefiel ADVOCARD dagegen sofort. Rein äußerlich war er, wie nun schon häufiger, aus der südländischen Kiste ihrer bevorzugten Kandidaten, wieder dunkle, mittellange, leicht gewellte Haare, braune Augen, Größe 1,82 Meter!
    »Aber er war ein Wessi, wie er im Buche steht!«, befand Alexandra, und beschrieb mir ihr Klischee von demselben: »Um die Vierzig, gebildet, konservative Erziehung, und trotzdem oder deshalb wollte er gern Endausläufer der 68er Generation sein. Das ging aber nicht so ganz auf, weil er dem schnöden Mammon zu sehr verfallen war und durch vorherige Verdienste, Abfindungen und Spekulationen an der Börse drei Euro fünfzig auf der Seite hatte, sicher auch von seinen Eltern ein gut Stück bekam, was sich in einer Eigentumswohnung und einem Porsche vor der Tür widerspiegelte.«
    Sie trafen sich nach dem ersten Ja, ich will dich kennenlernen – dieser speziellen Anbahnungs-E-Mail, mit der man dem anderen anzeigt, dass ein Grundinteresse besteht – eines Tages zufällig im Chat. Er gab ihr gleich seine Telefonnummer durch und, was sonst nicht Schwesters Art ist, sie rief ihn auch gleich an. Von den turbulenten Wochen, die Alexandra danach mit ihm erleben durfte, berichtete sie mir echauffiert.
    »Weißt du, Tati«, sagte meine aufgeregte Schwester, »ich habe mich diesmal ganz schnell verabredet. Eigentlich gleich, bevor eine andere schneller gewesen wäre. Das Gespräch, was ich mit ihm führte, war relativ heiter, etwas stockend vielleicht. Ich habe sowieso immer das Gefühl, dass Westmänner um die Vierzig Angst haben, sich etwas zu vergeben und darum nie viel und am besten nichts Persönliches von sich erzählen. Ich frage dich, Tati, wie, wenn nicht im Gespräch, soll man einen Menschen kennenlernen, der kaum Fragen beantwortet?«
    »Mhm. Stimmt. Buchhalter wollte auch nichts von sich erzählen … und ist im Grunewald großgeworden«, stimmte ich ihr zu.
    »Wir trafen uns in meinem Stammrestaurant in Berlin am Kollwitzplatz. Er machte einen recht sympathischen Eindruck und kam schnell auf ein nächstes Treffen zu sprechen, was mir entgegenkam, denn ich hatte ein halbes Jahr Abstinenz hinter mir. Seltsam fand ich das Ende unseres Essens. Er teilte die Rechnung durch zwei. Ich schluckte, hatte er mich doch gerade durchs Fenster auf seinen Wagen aufmerksam gemacht.«
    »Na ja«, sagte ich grinsend, »beim ersten Mal ist das noch in Ordnung. Da weiß ja noch keiner, ob sich die Investition lohnt. Habt ihr euch denn wiedergesehen?«
    »Ja, ja, und beim dritten Date lud er mich sogar in seine Wohnung ein. Ich war ganz schön erstaunt. Dunkel-düster war seine Neubaueigentumswohnung, die Einrichtung in schwarz, und alles, was nicht schwarz war, hatte er mit dunklem Lila gestaltet. Accessoires, Vorhänge, Bettwäsche, alles lila. Sogar die Lampe im Bad war mit einem lila Tuch abgehängt. Wirkte auf mich ein bisschen ökomäßig. Trotzdem habe ich ihm vorgeschlagen, ein gemeinsames Bad zu nehmen, aber das lehnte er, für mein Empfinden ein wenig zu schnell, wegen des angeblich defekten Wasserhahns ab. Ich dachte noch amüsiert, er sei schüchtern.«
    »Du meinst, er hat ein Bad abgelehnt, um Wasser zu spa-ren?«
    »Garantiert, aber daran dachte ich noch nicht. Geht ja noch weiter. ADVOCARD und ich hatten einen Badeausflug geplant. Ich fuhr mit meinem Twingo zur abgemachten Zeit zu ihm, bewaffnet mit allem, was er mir zu besorgen aufgetragen hatte: Wasser, Süßigkeiten und Sekt. Ich war ziemlich
kreuzlahm, weil ich viel gearbeitet hatte, die letzten Nachtschichten waren katastrophal!« Meine arme Schwester ist ganz dünn und quält sich als Krankenschwester in einem Altenpflegeheim. »Jedenfalls hatte ich Schlafdefizite und freute mich so sehr auf die Erholung. Selbstverständlich ging ich davon aus, dass wir vor Ort in sein Cabrio umsteigen würden – Urlaubsgefühl und so, und schließlich sollte auch sein Hund mitkommen. Er lehnte das rigoros ab, wollte sein Auto nicht extra aus der Garage holen. Meinem Wunsch, mit mir noch einen Imbiss zu nehmen, verweigerte er sich ebenfalls.
Diesmal mit der Ausrede, just in dem Moment schnell noch mit seinem Hund ’ne Runde drehen zu müssen! Ich stand mit aufgerissenen Augen vor ihm, versuchte, die sich ankündigende Herzattacke zu kompensieren, indem ich tief durchatmete. Und dann explodierte ich. Ich schrie ihm auf
offener Straße ins Gesicht: ›Du vergeizter, blöder Geier!

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